„Wir haben 2022 ganz schön viel vor“

LRZ

Viel vor für 2022: Nutzerinnen und Nutzer des LRZ können sich auf verbesserte und neue Dienstleistungen freuen.

Neue Techniken, mehr Services: Zuletzt hat das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) vor allem in Sachen Quantencomputing von sich hören lassen. Doch hier wird an vielen weiteren innovativen IT-Dienstleistungen gearbeitet. „Beim Quantencomputing geht es wie bei allen anderen Technologien am LRZ immer darum, zuverlässige IT-Dienstleistungen für Wissenschaft und Forschung bereitzustellen“, sagt Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller, Leiter des LRZ. Dem Rechenzentrum in Garching steht ein arbeitsreiches Jahr bevor, Nutzer:innen seiner Services können sich auf viele Verbesserungen und Neuerungen freuen. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Optimierung und Modernisierung von vielen LRZ-Diensten“, erzählt Prof. Dr. Helmut Reiser, stellvertretender LRZ-Leiter. „Für stabilere, schnellere Verbindungen sind wir gerade dabei, mehr als 1.000 von unseren 6.000 WLAN-Accesspoints verteilt über das ganze Münchner Wissenschaftsnetz (MWN) auszutauschen und den Router-Backbone zu modernisieren, außerdem wird das Thema Informationssicherheit immer wichtiger.“ Nutzer:innen der High Performance Computer (HPC) am LRZ werden bald mit einer Zwei-Faktoren-Authentifizierung auf die Systeme zugreifen, außerdem werden die Datenspeicher und Backup-Systeme noch besser gesichert. Nicht zuletzt tüfteln sie am LRZ bereits an Ideen für einen Supercomputer der nächsten Generation. Das aber sind nur einige Vorhaben, die Kranzlmüller und Reiser im Interview erklären.

Was hat Sie 2021 am meisten überrascht und welches Fazit ziehen Sie aus dem letzten Jahr? Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller: Überrascht hat mich der Erfolg im Bereich Quantencomputing. Wir haben zusammen mit unserem Schwesterinstitut, dem Walther-Meißner-Institut der BAdW, sowie Partnerorganisationen wie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), der Technischen Universität München (TUM) und dem Munich Quantum Valley (MQV) alle Projektvorschläge und Anträge durchgebracht. Ganz ehrlich – damit hatte ich nicht gerechnet, aber das ist eine tolle Bestätigung unserer Arbeit und Kooperationen. Damit wir alle Projekte organisieren können, haben wir inzwischen das Quantum Integration Centre (QIC) haben wir inzwischen das Quantum Integration Centre (QIC) und eine neue Abteilung für Quantencomputing und -Technologien aufgebaut.
Prof. Dr. Helmut Reiser:
2021 war das zweite Jahr in der Pandemie und auch ein anstrengendes Jahr. Es hat sich wieder gezeigt, dass das LRZ hervorragend funktioniert und seine Mitarbeitenden ausgezeichnet zusammenarbeiten. Ich bin inzwischen wirklich vom Home Office überzeugt, merke, dass einige Prozesse dadurch noch geschmeidiger laufen und wir damit Raum- und andere Nöte lösen können. Wir haben uns an vielen neuen Forschungsprojekten beteiligt, in fast allen Bereichen erfolgreich neue Technik oder Prozesse integriert – die Zahl der Aufgaben ist wahrscheinlich für alle gewachsen. Wir können stolz darauf sein, was wir trotz aller Widerstände erreichen und erreicht haben.
Kranzlmüller:
Wir haben gerade eine Aufgabenliste aus allen Arbeitsbereichen des LRZ zusammengestellt, und die zeigt – wir haben auch 2022 wieder ganz schön viel vor.

Worauf freuen Sie sich 2022 am meisten? Kranzlmüller: Wenn ich wieder Leute persönlich am LRZ treffen kann. Ich freue mich auf die erste Gelegenheit, bei der wir alle zusammenkommen, vielleicht mit einem Getränk in der Hand, und miteinander diskutieren. Ich hoffe, wir kriegen das im Sommer zu 60 Jahre LRZ hin.
Reiser:
Ich freu‘ mich auf viele neue Lösungen. Es macht mich einfach sehr zufrieden zu sehen, wie unsere Teams Probleme oder Fragen von Nutzer:innen angehen, sei es bei Incidents, sei es bei der Integration von neuer Technik oder zur Verbesserung von Services. Wir haben mit den Zertifizierungen für Servicemanagement und Informationssicherheit einen wichtigen Prozess im LRZ angestoßen, der manchmal noch auf Vorbehalte trifft. Jetzt, kurz vor der Re-Zertifizierung werden aber die Vorteile transparenter, gut strukturierter und gelebter Prozesse klar. Sie erweitern unseren Aktionsspielraum, geben uns Sicherheit, unseren Kunden Verlässlichkeit und ermöglichen mehr Freiheiten. Erstmals werden wir 2022 den Forschungsbereich in die Zertifizierung mit aufnehmen, dazu haben wir gerade die relevanten Services und Werte inventarisiert sowie Lücken identifiziert und können nun besser erkennen, wo wir noch zupacken müssen und wo die Technik und Services ausreichen.

Future Computing, Super- und Quantencomputing, Künstliche Intelligenz – Sie sprachen von einer langen Liste neuer Projekte und Aufgaben für 2022. Reiser: Wir arbeiten mit Hochdruck an der Optimierung und Modernisierung von vielen LRZ-Diensten. Die Dateiablage- und Austauschplattform Sync+Share werden wir künftig föderiert mit dem Regionalen Rechenzentrum Erlangen (RRZE) im Rahmen von BayernShare betreuen und anbieten, außerdem nehmen wir das neue Archiv-und Backup-System in Betrieb, das den Speicherplatz der LRZ-Ressourcen erheblich erweitert. Für stabilere, schnellere Verbindungen sind wir gerade dabei, mehr als 1.000 von unseren 6.000 WLAN-Accesspoints auszutauschen. Wir werden unseren Router-Backbone modernisieren, um unter anderem die Ausfallsicherheit erhöhen zu können. Sicherheit wird außerdem immer wichtiger – für die Nutzung der LRZ-High Performance Computing- oder HPC-Ressourcen werden wir die Zwei-Faktoren-Authentifizierung einrichten, und zusammen mit anderen Organisationen bauen wir gerade ein Security Operations Center für ganz Bayern, sowie einen hochschulübergreifenden Service zur Informationssicherheit auf. Nicht zuletzt werden wir noch ein neues Rechencluster für Methoden Künstlicher Intelligenz starten, die Modernisierung des CoolMUC sowie den nächsten Supercomputer der Exascale-Generation in Angriff nehmen. Und das sind nur einige Punkte von der Aufgabenliste, unsere Nutzer:innen können sich auf neue Services freuen. In der Verwaltung wird uns 2022 die Änderung des Umsatzsteuerrechts und die Erarbeitung eines Steuerhandbuches intensiv beschäftigen. Wir werden in diesem Jahr auch eine Online-Lernplattform zur individuellen Fortbildung der Kolleginnen und Kollegen testen und erwarten dadurch ein niederschwelliges Angebot, um die für das LRZ typische thematisch Breite auch mit Fortbildungen abdecken zu können.
Kranzlmüller:
In der Forschung wird uns die Arbeit 2022 ebenfalls nicht ausgehen: Allein im Quantencomputing sind wir an elf unterschiedlichen Projekten zur Erforschung der neuen Prozessoren, zur Entwicklung von Softwarestacks und Programmierumgebungen sowie zur Integration des Quanten- ins Supercomputing beteiligt. Der praktische Umgang mit der Zukunftstechnologie wird sicher spannend. Mit dem neuen KI-Cluster und der Hochleistungsplattform für Datenanalyse terrabyte, die wir gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR betreiben – können wir neue Kunden- und Forschungsbereiche für das LRZ erschließen. Der Bedarf an hoch aufgelösten Simulationen und Visualisierungen wächst in den Natur- und Lebenswissenschaften, aber auch in der Mechanik oder bei den Ingenieurwissenschaften weiter an. Außerdem beschäftigt Virtuelle Realität zunehmend unsere HPC-Ressourcen. Forschende und Dozent:innen treten jetzt öfter mit Projekten für Lern-Apps oder Ideen zu innovativen Präsentationsformen an uns heran. In den Mozilla Hubs haben wir bereits erste Räume eingerichtet, in denen sich Besucher:innen sogar treffen und akustisch austauschen können. Nicht zuletzt engagieren wir uns im Verein Nationale Forschungsdateninfrastruktur, NFDI, arbeiten hier in sieben Konsortien zur Erschließung von Datenbeständen in der Wissenschaft mit – hier bringen wir eigene Technologien zum Datenmanagement sowie zum ortsunabhängigen Zugriff auf Forschungsdaten ein.

Wie kommen Forschungsprojekte eigentlich zustande und wie finden sie ans LRZ? Kranzlmüller: Oft durch persönlichen Kontakt – Forschende oder Professor:innen nehmen Kontakt zum LRZ auf, weil sie ein Computer- oder IT-Problem lösen wollen. Daraus wachsen dann Kooperationen, aus diesen gemeinsame Projektanträge. Außerdem treiben wir unsere eigenen Entwicklungen und Strategien voran und beteiligen uns als akademisches Rechenzentrum natürlich auch an nationalen und europäischen Ausschreibungen, und nicht zuletzt haben wir uns als Supercomputing-Zentrum international sehr gut vernetzt. Insbesondere durch die engen Kontakte zu den beiden Münchner Exzellenz-Universitäten und zu bayerischen Forschungsinstitutionen entstehen neue Forschungsvorhaben.

Quantencomputing ist eine Zukunftstechnologie, ob sie wirklich nutzbar wird, ist noch gar nicht sicher. Warum engagiert sich das LRZ auf diesem Feld und welche Strategie verfolgt es dabei? Kranzlmüller: Wie bei allen anderen Technologien geht es am LRZ immer darum, zuverlässige IT-Dienstleistungen für Wissenschaft und Forschung bereitzustellen. Überall wachsen die Datenmengen, auch in der Forschung, bei der Verarbeitung größter Volumina sind die aktuellen Supercomputer stark gefordert. Außerdem – der Energiebedarf wächst mit jedem neuen System. Quantencomputer bieten Anlass zur Hoffnung, dass sie in einigen Bereichen wesentlich größere Datenmengen besser, schneller und damit energieeffizienter verarbeiten und auswerten können. Wenn wir uns jetzt an Forschungsprojekten rund um diese Zukunftstechnologie beteiligen, können wir sie nicht nur mitgestalten, sondern lernen frühzeitig Anwendungsbereiche praktisch kennen und können daraus wiederum Dienstleistungen für Wissenschaftler:innen entwickeln.
Reiser:
Es ist ähnlich wie bei der Digitalisierung – es reicht dazu nicht aus, Beschäftigten ein Laptop in die Hand zu drücken und ihnen digitales Arbeiten zu verordnen. Dafür müssen Prozesse aufgebaut, geeignete Tools und Software zur Verfügung gestellt werden. Was brauchen unsere Wissenschaftler:innen und Nutzer:innen und was hilft ihnen bei ihrer Arbeit – diese Frage treibt uns zur Erforschung von Quantenprozessoren und neuen Entwicklungsumgebungen an, am besten möglichst frühzeitig.

In Europa beginnt der Aufbau der nächsten Supercomputer-Generation, den Exascale-Rechnern. Auch am LRZ ist ein solcher Höchstleistungsrechner der nächste logische Schritt nach SuperMUC-NG – wie geht das LRZ so eine Mammut-Aufgabe an? Kranzlmüller: Für den nächsten Supercomputer setzen wir auf ein Beschaffungsverfahren namens Innovationspartnerschaft, werden also mit Unternehmen Computertechnik weiterentwickeln, Prototypen bauen und diese testen, ob sie sich für den Einsatz in Wissenschaft und Forschung eignen. Wir dürften weltweit unter den Ersten sein, die im HPC auf diese Methode setzen. Der nächste Supercomputer wird also iterativ und in mehreren Phasen entstehen, Kriterien für die Zusammenarbeit sowie für erste technische Komponenten stehen, der erste Bewerbungsprozess läuft. Ein gewichtiger Vorteil dieses Co-Designs ist, wir können so schon frühzeitig neue Technologien evaluieren und ausprobieren, wie bestehende HPC-Software und Algorithmen darauf laufen, außerdem lernen wir Herstellerunternehmen in der praktischen Zusammenarbeit kennen. Aber: Das Verfahren ist streng reglementiert und zwingt uns zur Verschwiegenheit. Wir können daher öffentlich nichts über technische Anforderungen sagen.

Wird das neue System größer als der SuperMUC-NG, passt es noch in den Rechnerwürfel? Reiser: Das neue System wird deutlich leistungsfähiger, aber von der Fläche für den Stellplatz vermutlich nicht größer. Der Rechner wird in unseren Rechnerwürfel passen. Allerdings wird der Strom- und Kühlungsbedarf sehr stark zunehmen, und wir werden deshalb Um-, An- und vermutlich sogar Neubauten brauchen. Aber auch darauf haben wir uns mit verschiedenen Machbarkeitsstudien, die wir bereits 2018 begonnen haben, vorbereitet.

Wie teilen Sie beide eigentlich die Führung des LRZ untereinander auf? Reiser (lacht): Kranzlmüller denkt und Reiser lenkt – das ist natürlich nicht ernst gemeint. Wir arbeiten jetzt schon fünf Jahre sehr eng zusammen und haben einen Modus-Operandi gefunden, der sehr gut funktioniert und bei dem jeder von uns beiden weiß, bei welchem Thema wer als erstes zugreift. Das Schöne dabei ist, dass wir uns bei Fragen und Herausforderungen sehr kurzfristig und manchmal auch sehr intensiv abstimmen, um die für das LRZ optimale Lösung zu finden.
Kranzlmüller: Eine Aufteilung – das ist meins und das ist deins – gibt es nicht. Wir informieren uns gegenseitig über Sachverhalte, Entscheidungen und zu klärende Punkte. Jeder von uns nimmt sich die Zeit, wenn der andere Rat oder einen Sparringspartner braucht, und jeder weiß, dass er sich auf den anderen verlassen kann.

Was ist Ihnen beiden bei der Führung wichtig? Reiser: Mir ist ein offener, ehrlicher und wertschätzender Umgang sehr wichtig. Ich arbeite gern im Team. Allein kann ich nur sehr wenig erreichen. Gemeinsam im starken LRZ-Team, den vielen Spezialist:innen, ihren guten Ideen, ehrlicher Kritik, Verbesserungsvorschlägen, der kritischen Auseinandersetzung um der Sache willen, das Forschen, Verbessern und Optimieren, ermöglicht uns erstaunliche Leistungen und Ergebnisse. Ein gutes Klima ist mir auch sehr wichtig.
Kranzlmüller: Alle LRZler:innen sollen sich bei uns wohl- und gut aufgehoben fühlen. Wenn das, was man tut, Spaß macht und man gerne mit seinen Kolleg:innen zusammen arbeitet, dann ist das optimal für die eigene Entwicklung, aber auch für das LRZ.
Reiser: Ich genieße es auch gemeinsam zu lachen, sich über Erfolge zu freuen und Spaß zu haben – gemeinsam zu lachen, kann eine kritische oder unangenehme Situation entschärfen.

Sind Sie sich eigentlich immer einig, wenn’s ums LRZ geht? Oder wie einigen Sie sich, wenn Sie unterschiedlicher Meinung sind? Reiser: Nein, natürlich sind wir uns nicht immer einig. Wir beide sind offen, ehrlich und direkt in der Ansprache, das erleichtert die Diskussion und Abstimmung ungemein. Wir tauschen unsere Argumente offen aus, wägen ab und diskutieren. Oft einigen wir uns dabei relativ schnell. Falls es keine Einigung gibt, vertagen wir uns, um eine Nacht darüber zu schlafen und tauschen dann unsere Argumente noch einmal aus. Bisher habe ich es noch nicht erlebt, dass wir einen völligen Dissens gehabt hätten oder nicht zu einer Lösung gekommen wären, die nicht beide auch tragen können.

Das LRZ feiert in diesem Jahr 60. Geburtstag, Sie haben jeder einen Wunsch frei – was wünschen Sie sich fürs LRZ? Reiser: Dass es mit Rechenzentrum erfolgreich und gut weitergeht. Das LRZ ist eine Erfolgsgeschichte, die alle Beteiligten in der Vergangenheit und Gegenwart gut hinbekommen haben. Ich wünsche mir, dass es auch angesichts der vielen Herausforderungen so erfolgreich weitergehen kann, dass wir immer die richtigen Menschen finden und haben, die sich mit ihrem Herzen und ihren Ideen am LRZ einbringen. Kranzlmüller: Die Pandemie hat gezeigt – Gesundheit ist das Wichtigste. Also ich wünsche mir, dass wir alle gesund bleiben und die 60 Jahre LRZ gemeinsam in Präsenz feiern können. Und dann wünsche ich mir auch, dass wir mehr Menschen davon überzeugen können, am LRZ zu arbeiten, und dass wir unseren Nutzer:innen das bieten können, was sie für ihre täglichen Aufgaben in Wissenschaft und Forschung brauchen.       (Interview: vs)

DK

Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller leitet seit 2017 das Direktorium des LRZ. Er lehrt Informatik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), leitet das Institut für Informatik sowie das Munich Network Management Team, eine Forschungsgruppe, an der alle Münchner Universitäten beteiligt sind. Foto: A. Podo/LRZ

HR

Prof. Dr. Helmut Reiser ist seit 2017 stellvertretender Leiter des LRZ, auch er lehrt an der LMU Informatik und engagiert sich in zahlreichen Netzwerken und Organisationen, etwa in der Netz-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder im IT-Beirat der staatlichen Museen Bayern. Foto: A. Podo/LRZ