„Tolle Köpfe für Forschungsprojekte, Verwaltung und Technik finden“
Seit 2006 hat das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) seinen Sitz im Forschungszentrum Garching. Foto: LRZ
Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) auf Wachstumskurs: 2021 nahm das Programm Future Computing zur Erkundung neuer Supercomputing- und High Performance Computing-Systeme Fahrt auf. Das Quanten Integration Centre (QIC) wurde eröffnet. Und es hat – zusammen mit verschiedenen Partnerorganisationen – viele neue Forschungsprojekte aus den High-Tech-Agenden von Europa, Deutschland und Bayern nach Garching gezogen. „Wir freuen uns sehr über diese Erfolge, sie zeigen, dass das LRZ international einen guten Ruf genießt, auch in Politik und Öffentlichkeit, die uns finanzieren“, sagt Dr. Jürgen Seidl, der am LRZ die Zentralen Dienste und die Verwaltung leitet. „Zum Erfolg gehören aber auch Probleme wie die Raumnot sowie Personalmangel, auch in der Verwaltung.“ Neue Ideen sind gefragt: Allein der Bereich Quantencomputing wird in den nächsten Monaten annähernd 30 neue Kolleg:innen ans LRZ ziehen. Schon werden in der Boltzmannstraße 1 zu Garching die Bibliothek verkleinert, Flure und Hallen umgebaut, um mehr Platz für Büros zu schaffen. Im Interview berichten Sabine Osorio, Leiterin Personal am LRZ, und Dr. Jürgen Seidl, wie Wachstumspläne organisiert werden können.
Was hat Sie beide 2021 am meisten überrascht? Sabine Osorio: Uns kann nix mehr überraschen … (lacht). Nein, im Ernst – Projekte wie Future Computing oder Quantencomputing hatten sich bereits 2020 angekündigt. Wir wussten also, dass 2021 viel Arbeit und Organisation auf uns zukommen wird, und wir sind daher 2021 eher realistisch gestartet.
Dr. Jürgen Seidl: Wir wussten zwar, dass das LRZ viele neue Projekte an Land gezogen hatte, aber ehrlich – die Ausmaße, die manche im Bereich Quanten- und Future Computing angenommen haben, haben uns dann doch überrascht. Wir freuen uns sehr über diese Erfolge, sie zeigen, dass das LRZ international einen guten Ruf genießt, auch in Politik und Öffentlichkeit, die uns finanzieren. Zum Erfolg gehören aber auch Probleme wie die Raumnot sowie Personalmangel, auch in der Verwaltung.
Wie wirken sich die neuen Forschungsprojekte auf die Organisation und ihre Strukturen aus? Seidl: Die Verwaltung wächst leider erstmal nicht mit, das ist sicher ein Wermutstropfen beim Wachstum. Dazu haben wir in der Verwaltung ein paar sehr gute Mitarbeitende verloren, das schmerzt mich sehr. Dadurch wächst die Arbeitsbelastung in der Organisation. Sicher ist auch, es wird enger am LRZ. Allein im Bereich Quantencomputing werden wir in den nächsten Monaten rund 30 neue Kolleg:innen einstellen, auch für Future Computing, die Panungen des SuperMUC-NG-Nachfolgers, Sicherheitsfragen und für Projektmanagement brauchen wir neue Leute. Wo wir die unterbringen, ist noch offen. Wir hoffen da auf die Digitalisierung, auf Home Office, gute Ideen, vor allem aber auf die gute Zusammenarbeit mit dem Personalrat und der Leitung.
Osorio: Persönlich macht es mich stolz, in so einem fortschrittlichen Umfeld zu arbeiten. Ich ziehe daraus sehr viel Sinn für meine Arbeit. Wenn ich mir aber die Dimensionen mancher Projekte verdeutliche, muss ich schlucken. Für all diese Projekte müssen wir neue Kolleg:innen suchen. Wo finden sich Spezialist:innen für neueste Computertechnologien? Und noch wichtiger – wie organisieren wir schnelles Wachstum, ohne dass dabei die Qualität und der gute Zusammenhalt im LRZ auf der Strecke bleiben? Die Projekte nehmen viel Raum für Planung und Verwaltung in Anspruch. Außerdem wird Retention Management wichtiger, also Strategien und Maßnahmen, damit Mitarbeitende gerne am LRZ arbeiten und bleiben. Wir wollen ja nicht nur neue Kolleg:innen anwerben, sondern vor allem den bestehenden Perspektiven bieten.
Ja und wo finden sich heute die Quanten- oder die seltenen Computerspezialist:innen? Osorio: Neben den bewährten loten wir jetzt viele neue Möglichkeiten für die Personalsuche aus: Anzeigen, Dienstleister, auch netzwerken und Social Media. Mit der Bavarian Quantum Computing eXchange- oder BQCX-Community haben wir einen nützlichen, überregionalen Kanal, um Quantenexpert:innen und Nachwuchs direkt anzusprechen. Mit dem PR-Team arbeiten wir gerade an einer schönen, bunten Social-Media-Kampagne. Wir hoffen auch, dass Kolleg:innen Kandidaten und Kandidatinnen anziehen. Teamgeist, diverse, internationale Unternehmenskultur, persönliche Freiräume, das sind Gründe, warum das LRZ als Arbeitsplatz empfohlen wird, und das freut mich sehr. Mit jeder Bewerbung finden wir mehr Argumente, warum Expert:innen gerne am LRZ arbeiten wollen. Trotzdem muss das LRZ als Arbeitgeber sichtbarer werden, Studierende und Forschende kennen das LRZ zwar als Dreh- und Angelpunkt für Wissenschaft, kommen aber nicht auf die Idee, dass sie hier auch arbeiten können. Aber wir sollten auch außerhalb des Hochschulkosmos bekannter werden, wir brauchen schließlich noch Fachinformatiker:innen und andere IT-Spezialist:innen
Was ist die größte Herausforderung bei dem angestrebten Wachstum? Seidl: Wahrscheinlich spreche ich da für viele meiner Kolleg:innen aus der Verwaltung – ich kenne mich bei vielen der Themen, zum Beispiel Quantencomputing oder den neuen Exascale-Systemen, nicht aus und muss mich erst einarbeiten, um die finanziellen, organisatorischen oder personellen Anforderungen in Anträgen und Proposuals zu verstehen. Wir werden hier gerade mit vielen neuen Themen konfrontiert – spannend, aber manchmal Kräfte zehrend.
Osorio: Das geht mir genauso. Aber es ist einfach schön, dass hier alle so offen sind und wir die jeweiligen Spezialist:innen oder die Leitung immer um Rat fragen können. Ich höre jetzt außerdem häufiger Podcasts oder Vorträge zur Zukunft des Computers.
Auch Corona und das Arbeiten zuhause verändern das LRZ stark. Wie geht es weiter? Osorio: Wir digitalisieren gerade die Zeiterfassung und die Anträge von Urlaub oder Ausgleichstagen fürs Home Office. Dahinter steckt mehr Auswand als gedacht, wir dürfen nicht irgendein Tool verwenden, es muss datenfreundlich und auch getestet sein. Einige Kolleg:innen arbeiten damit und liefern uns guten Input. Hoffentlich können wir mit dem Personalrat noch 2021 die Ergänzung der Dienstvereinbarung abschließen, so dass alle Kolleg:innen das Tool einsetzen können. Damit wird Zeit und Papier gespart und werden Genehmigungsabläufe gestrafft, Informationen sind schneller sicher verfügbar. Damit der Zusammenhalt beim verteilten Arbeiten nicht verloren geht, haben wir virtuelle Kaffee-Gespräche eingeführt, während derer sich neue Kolleg:innen vorstellen können. Die kommen richtig gut an, wir wollen damit nach Corona weitermachen. Im Gegensatz zu den gewohnten Kaffeerunden in Präsenz kann sich jede:r zuschalten, neue Kontakte schließen und gemeinsame Interessen entdecken. Schön wär‘s, wenn sich gelegentlich bestehende LRZ-Teams mit ihren Aufgaben vorstellen – auch das stärkt den Zusammenhalt in Distanz.
Wie lautet das persönliche Fazit für 2021? Osorio: Uns war wirklich an keinem einzigen Tag langweilig. Dass 2021 ein überaus arbeitsreiches Jahr war, zeigen auch Zahlen: Das Personal-Team hat 65 Stellen ausgeschrieben, 400 Bewerbungen bearbeitet, 130 Vorstellungsgespräche geführt und 48 Verträge mit Angestellten und Studierenden abgeschlossen. Mit meinen beiden Kolleg:innen hab ich mehr als 10.500 Anfragen zur Arbeit am LRZ per Mail, am Telefon, in Rocket Chat bearbeitet.
Seidl: In diesem Jahr war ich besonders stark durch das Thema Finanzen gefordert. Was mich dabei aber immer bei der Stange hält, ist, wie lösungsorientiert die Kolleg:innen hier sind. Als Mitte November die Corona-Ampel auf Rot geschaltet und für die Anwesenheit am LRZ sofort 3 G vorausgesetzt wurde, haben sich schnell einige Kolleg:innen aus der Verwaltung ins Benutzer-Sekretariat gesetzt und dort gearbeitet, um bei den Tests und Kontrollen mitzuhelfen. Hier wird auf pragmatische Lösungen und auf die Unterstützung geschaut – das ist toll.
Welchen Erfolg 2021 werden Sie besonders feiern? Seidl: Also mir hat 2021 gezeigt, dass der Wechsel ans LRZ die richtige Wahl war. Das erste Jahr hier war die Bestätigung meiner Entscheidung – bei allen Herausforderungen und offenen Fragen: Ich bin gerne hier, hier werde ich gebraucht.
Osorio: Ich feire, dass wir in der Verwaltung trotz zusätzlicher Arbeit nie vergessen haben, dass wir ein fantastisches Team sind. Wir waren während der Pandemie – unter Beachtung der Hygiene – jeden Tag vor Ort vertreten. Wir haben gelernt, dass wir uns aufeinander verlassen können und uns gegenseitig helfen, unabhängig von den Aufgaben. Das Team ist noch enger zusammengewachsen, und wir machen einen sehr guten Job!
Welche Pläne stehen 2022 auf der Agenda? Seidl: Große Herausforderungen stellen sicher die Finanzen. Im März startet die neue Teamleiterin Finanzen, im Mai die Verantwortliche für Drittmittel, und diese Kolleg:innen sollen gut eingearbeitet werden. In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaft bleiben die Steuern ein heißes Thema. Die Vorbereitungen auf den Nachfolger von SuperMUC-NG und vor allem die Raumnot am LRZ werden außerdem viele Kapazitäten des Gebäudemanagements binden. Angesichts von aktuellen Lieferschwierigkeiten bei Computer- und anderer Technik und konfrontiert mit Personalmangel und steigendem Personalbedarf wird es sicher schwierig werden, Zeitpläne einzuhalten. Und wir müssen bei allem darauf achten, dass sich keine:r zurückgesetzt fühlt im LRZ, hier geht es ja nicht nur um neue Forschung und Technik, sondern vor allem um zuverlässige IT-Dienste, und das sollte ebenfalls gewürdigt und wertgeschätzt werden.
Osorio: Abgesehen von Stellenausschreibungen möchten wir 2022 wieder eine Umfrage unter den Beschäftigten starten. 2020 haben wir so wichtiges Feedback zum Home Office und zum Corona-Management erhalten.
Welches Anliegen ist Ihnen am wichtigsten oder was wünschen Sie sich für 2022? Osorio: Tolle Köpfe nicht nur für Forschungsprojekte, sondern auch für die Verwaltung und Benutzerdienste des LRZ zu gewinnen. Mein Herzensthema ist, das LRZ zu einem guten Arbeitsplatz für Alle zu machen. Die Ansage aus den Stellenausschreibungen, nach der wir uns über Bewerbungen talentierter Menschen freuen, unabhängig von deren kulturellem Hintergrund, Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, geschlechtlicher und sexueller Identität, körperlicher Fähigkeiten, Religion und Alter, darf keine Floskel sein.
Seidl: Ich wünsche mir mehr feste Planstellen für das LRZ. Es ist sicher ein großer Erfolg, neue Technologien mitentwickeln und innovative IT-Services gestalten zu können, aber was bedeutet das für den täglichen Betrieb des Rechenzentrums, sein Dienstleistungsangebot und seine Verwaltung? Die steigende Zahl der Projekte und Zukunftstechnologien am LRZ muss Widerhall auch in der Verwaltung sowie in der technischen Betreuung finden, hier fehlt es noch an Unterstützung. Das ist nicht aus den Töpfen für Dritt- und Forschungsmitteln zu finanzieren. Ich hoffe, dass die Politik das erkennt, und ich würde mir wünschen, dass Kund:innen wie die TUM, LMU und andere Forschungspartner:innen diese Forderungen an Politik und Gesellschaft unterstützen und darauf aufmerksam machen. (vs)
Dr. Jürgen Seidl, Leiter Zentrale Dienste am LRZ (oben) und Sabine Osorio, Leiterin Personal LRZ