Supercomputing für Medizin und Pharmazie

Was passiert eigentlich im menschlichen Körper während eines Herzschlages? So richtig wissen wir das nicht. Auch wenn die Funktionsweisen von Herz, Hirn, Organen bekannt sind, können wir – wenn überhaupt – nur Momentaufnahmen von ihrer Arbeit aufnehmen. Computertechnologie hilft, dem Menschen auf die Spur zu kommen: Seit ein paar Jahren entwickelt und erforscht ein internationales Forschungsteam Software, Simulations-Algorithmen und Codes für Medizin und Pharmazie. Ziel des Exzellenz-Zentrums CompBioMed ist der digitale Zwilling zur Darstellung von Körperfunktionen. Natürlich stand die Computertechnologie im Mittelpunkt der CompBioMed Konferenz  Mitte September, an der auch das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) beteiligt war. Prof. Dr Dieter Kranzlmüller, Leiter des LRZ, und Dr. David Wifling vom ComputationalX-Team moderierten die das Konferenzpanel „Auf dem Weg zur Exascale – Validierung, Verifizierung und Quantifizierung von Unsicherheiten“, Elisabeth Mayer vom Zentrum für Visualisierung und Virtuelle Realität (V2C) des LRZ zeigte wiederum die Visualisierung des Blutflusses im Unterarm.

arm

Blutfluss durch Adern und Venen im menschlichen Unterarm. Grafik: LRZ

„Visualisierungen, Modelle und Simulationen veranschaulichen nicht nur Körperfunktionen wie den Blutfluss, sie geben jetzt auch einen besseren Einblick in molekulare Prozesse“, fasst Wifling Eindrücke von der Konferenz zusammen. „Deshalb wird immer mehr Rechenkraft und Computerleistung gebraucht, die Hoffnungen ruhen auf Exascale-Systemen, aber auch auf Quantencomputing.“ Einerseits gehen Modellierungen bis zur Molekularebene immer mehr ins Detail, andererseits wollen Forschende Körpergeschehen länger simulieren. Die viel beachtete Simulation und Visualisierung des Blutflusses im Unterarm (im Bild oben eine Grafik daraus) verdeutlicht das: Sie zeigt, was während eines Herzschlages im Unterarm passiert. Für die kurze Sequenz wurden mehr als 220 Millionen Datenpunkte aufwändig berechnet, modelliert und visualisiert. Pro Ausgabeschritt kamen mehr als 7 Gigabyte Daten zusammen. Solche Mengen bewältigen nur Supercomputer, doch auch sie stoßen an Grenzen: Mediziner:innen und Forschende könnten mehr daraus lernen, wenn sie dem Blutfluss länger zuschauen könnten. Auch bei CompBioMed arbeiten sie daher daran, Simulationen vom Mikro- in den Millisekundenbereich voranzutreiben, und beschäftigen sich dazu mit den nächsten Leistungsleveln des High Performance Computings (HPC): „Die Simulationen zu erweitern, ist schwierig, Exascale wird daher immer wichtiger für CompBioMed. In Europa entstehen in Kürze die ersten Systeme, die das Exzellenzzentrum nutzen will“, berichtet Wifling.

Forschende diskutierten während der Virtual-Human-Konferenz, wie bestehende CompBioMed-Software wie HemeLB (Blutfluss) oder TIES (Molekularverbindungen) an neue Graphic Processing Units (GPU) und an die neuen Systeme angepasst und dabei Unsicherheiten beim Rechnen ausgeglichen werden können. Weiteres Thema: Mustererkennung und Machine Learning als Methoden für Diagnose und die Suche nach Wirkstoffen gegen Krankheiten. Das Exzellenzzentrum hat sich an der Forschung rund um COVID-19 beteiligt, Substanzen gegen SARS-Cov-2-Viren gesucht und dabei seine Techniken einem Praxistest ausgesetzt. Neben Wirkstoffen wurden Ideen zur Optimierung smarter Systeme gesammelt, die die Medikamentenforschung verbessern helfen. Auch SuperMUC-NG durchforschte für CompBioMed Bibliotheken mit chemischen Substanzen. Solche Aufgaben können mit der Software QCG Pilotjob besser organisiert werden. Am SuperMUC-NG wird das praktisch ausprobiert: „Mit QCG Pilotjobs können mehrere Simulationen zur Molekulardynamik gleichzeitig auf die Knoten eines HPC-Systems verteilt und bearbeitet werden“, erklärt Wifling. Ob und wie das die Suche nach wirkungsvollen Stoffen beschleunigen hilft, wird möglicherweise Thema der nächsten CompBioMed-Konferenz sein.

Mehr zu den Zielen von CompBioMed, der Partnerschaft von LRZ und Exzellenz-Zentrum sowie Hintergründen zum digitalen Zwillung und was dieser für Medizin und Pharmazie bedeutet, lesen Sie auf der Website des LRZ. (vs)

mensch