2021-03-30: Person to watch: Sophia Grundner-Culemann
Sie erforschen Zukunftstechnologien wie Quantencomputer, entwickeln innovative Technik oder Algorithmen, bringen das Supercomputing, Künstliche Intelligenz oder das Maschinelle Lernen weiter: In loser Folge stellen wir hier junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, von denen wir sicher noch mehr hören: Die Informatikerin und Mathematikerin Sophia Grunder-Culemann forscht an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Sicherheit kryptografischer Systeme – ihre Ergebnisse dienen Datenschutz und IT-Sichgerheit.
Daten, Daten, Daten. Foto: Markus Spiske/Unsplash
Rätseln für die Forschung
Alltägliches überraschend umschreiben, Ordnungsprinzipien entdecken, um die Ecke denken: Sophia Grundner-Culemann liebt Rätsel, den Denksport. Am Wochenende kniffelt sie im Süddeutschen Magazin über hintergründig verfremdeten Definitionen fürs Kreuzworträtsel oder sucht im Dänischen nach Systematiken, die das Lernen vereinfachen: „Sprachen lernen ist ein bisschen wie Rätsel lösen“, sagt sie und lacht. „Im Dänischen kommen viele Wörter aus dem Deutschen und aus dem Englischen, ich muss nur wissen, wie Füllwörter gesetzt werden.“ Auf diese Art hat sich die Münchnerin Sätze in Dänisch, Textverständnis beigebracht und eine dänische Serie im Original angeschaut.
Unter der Woche untersucht Sophia Grundner-Culemann Möglichkeiten, Datensätze und Informationen hinter Codes und Gleichungen zu verstecken und raffiniert zu chiffrieren. „Kryptografie basiert auf Zahlenspielen und schafft eine Verbindung von Mathematik und Informatik“, erklärt Sophia Grundner-Culemann ihre Leidenschaft zu dieser Disziplin der IT-Sicherheit. Für ihre Promotion am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) analysiert die Doktorandin seit knapp drei Jahren ein kryptografisches Authentifizierungs-Konzept, das das Schlüsselmanagement von Geräten vereinfachen könnte und sich auf weitere Schutzmaßnahmen übertragen ließe. „Ich muss dafür nach Annahmen oder Angriffsszenarien und Lösungen suchen. Wer Mathematik anwenden kann, hat viele Methoden in der Hand, kryptografische Systeme zu knacken oder aufzubauen.“
Lebensnahe Themen erforschen
Kryptografie gilt als eines der wichtigsten Zukunftsfelder der Informatik: Durch das Aufkommen von Quantencomputern, die in kurzer Zeit mehr Daten verarbeiten sollen, ist die Sicherheit von herkömmlichen Computer- und IT-Systemen arg gefährdet. „Werden Quantencomputer leistungsfähiger und größer, könnten sie die gängigen Sicherheitsmaßnahmen der Gegenwart aushebeln“, berichtet Grundner-Culemann. „Wir stellen daher schon jede Menge IT-Systeme um.“ Für diese „Postquanten- Kryptografie“ ist die junge Wissenschaftlerin gerüstet: Zum Erstaunen von Familie und Freunden und auf den Rat ihres Physiklehrers, der das Knobel-Talent erkannt hatte, wählte Grundner-Culemann auf dem Münchener Wilhelmsgymnasium nicht wie ursprünglich geplant Altgriechisch als Leistungskurs, sondern Mathematik. Und sie fängt Feuer: Spätestens im Bachelor-Studium grübelt sie schon im Urlaub über die Beweisführung von Lehrsätzen oder über Lösungen von Gleichungen und vergisst darüber oft genug die Zeit. „Mathematik hat etwas Reines“, sagt sie. „Es ging im Studium meistens darum, Beweise zu führen, Rätsel zu lösen. Dabei habe ich gelernt, Probleme methodisch anzugehen.“
Mathematik ist allerdings Theorie, für den Master wechselt Grundner-Culemann 2014 zur „realitätsnäheren, pragmatischeren“ Informatik – und entdeckt während der Vorlesung zu IT-Sicherheit von Professor Helmut Reiser, dem stellvertretenden Leiter des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ), eine neue Spielwiese für sich. Man kann sich Sophia Grundner-Culemann als fröhlichen, optimistischen Menschen vorstellen. Sie spricht und denkt schnell, lacht gerne und selbst per Video strahlt sie eine gehörige Portion Humor aus. Die Lust auf Neues, Unbekanntes und persönliche Herausforderungen treiben sie an, bei aller Leidenschaft geht die junge Frau Aufgaben jedoch methodisch an: „Ich bin gründlich“, sagt sie selbst, „und versuche, erst alles zu verstehen, bevor ich etwas entwickle oder praktisch angehe.“
Neue Technologien verstehen – und prägen
Deshalb widmet sich Grundner-Culemann seit einiger Zeit dem Quantencomputing: „Ich wollte mitreden können bei dieser neuen Technologie und außerdem wissen, was daran eigentlich so bedrohlich für die gewohnte IT werden kann“, sagt die Wissenschaftlerin. „Toll an diesem Thema ist, dass es noch in den Kinderschuhen steckt, ich kann an etwas komplett Neuem mitarbeiten und dabei vielleicht sogar Themen setzen oder Ansichten prägen.“ Zusammen mit Kolleg:innen am Lehrstuhl erarbeitete sie die erste eigene Vorlesung für die LMU. „Einführung in Quantencomputing“ steht zwar seit 2017/18 auf dem Lehrplan der Informatik, war aber bis 2019 eine Blockveranstaltung, die Professor Marian Bubak und Dr. Katarzyna Rycerc aus Krakau verantworteten. Durch Ausweitung der Inhalte und angereichert durch praktische Übungen entstand eine Vorlesung fürs ganze Semester, die 2019 erstmals an der LMU angeboten und 2020 noch durch ein Praktikum ergänzt wurde. Selbstredend referiert Grundner-Culemann über die mathematischen Voraussetzungen, die man zum Verständnis der neuen Technologie braucht, außerdem über Quanteneffekte und wie man sie in Algorithmen nutzen kann. Das Engagement für Lehre und Forschung ließ bereits andere aufhorchen: Bei der feierlichen Eröffnung des Quantum Integration Centre (QIC) am Leibniz-Rechenzentrum in Garching diskutierte die Informatikerin deshalb mit Ministerpräsident Markus Söder und Wissenschaftsminister Bernd Sibler über die Sicherheitsrisiken der viel bachteten Zukunfttechnologie.
QIC-Eröffnung am LRZ: Sophia Grundner-Culemann auf dem Podium mit Ministerpräsident Söder, Wissenschaftsminister Sibler und Moderatorin C. Bastuck.
„Forschen und Nachdenken muss später ein Teil meiner Arbeit sein“, meint die Informatikerin. „Ich möchte sicher nicht nur Theorien entwickeln, sondern auch Wissen vermitteln und meine Erfahrungen praktisch einbringen.“ Gerade gewinnen neue, andere Themen in ihrem Leben an Bedeutung, daher forciert sie jetzt ihre Promotion. Bis Sommer 2022 soll das Werk geschafft und der Blick wieder frei sein. Eine Plattform rund um veganes Essen und Lebensart etwa könnte ein Projekt sein, das sie gerne vorantreiben würde. Oder ihre Erfahrungen Organisationen der Zivilgesellschaft zur Verfügung stellen und sich für die Themen IT-Sicherheit, Datenschutz, Privatsphäre stark machen.
Diese Themen bringen Sophia Grundner-Culemann von der Kryptografie sofort zur Demokratie. Das Machtgefüge zwischen Staat, Tech-Konzernen und Bürger:innen gerät aus dem Lot: „Für mich ist der springende Punkt nicht, dass Google und andere Unternehmen meine Daten sammeln, viel schlimmer ist, dass die das technisch können und alles über mich wissen, ich aber nichts über sie“, sagt sie, und: „Ich möchte Machtstrukturen aufbrechen, Demokratie basiert schließlich darauf, dass alle möglichst gleich viel Einfluss haben. Wir brauchen daher Möglichkeiten, uns gegenüber Staat und Unternehmen abzuschirmen und unsere Interessen zu schützen.“ Von Informatiker:innen wünscht sie sich deshalb mehr Zuwendung hin zu den Nutzer:innen. Mehr Aufklärung über technische Möglichkeiten, vor allem aber mehr lebensnahe Erklärungen zu den daraus resultierenden Risiken. Der US-amerikanische Informatiker Seny Kamara ist deshalb ein Vorbild, in seinem „Crypto for the people“-Vortrag fragt er, wer von Daten, Kryptografie, IT profitiert und warum er als Person of Color damit wieder ins Hintertreffen geraten kann. Auch Grundner-Culemann ärgert sich über die Ohnmacht von User:innen. Der Einsatz von Passwortmanagern, Emailverschlüsselung, ja sogar der Corona-App sei zu kompliziert und für Anna Normalnutzer:in nur mit hohem persönlichen Aufwand sicher zu organisieren: „Klar, wie die Kommunikation übers Internet technisch funktioniert, bleibt ein Fachthema“, so Sophia Grundner-Culemann. „Wir sollten mehr Verständnis vermitteln, vor allem aber nicht darauf hoffen, dass Nutzer:innen irgendwann mehr wissen, und Produkte oder Dienste endlich so gestalten, dass jede:r sie ohne große Erklärungen versteht.“ Vielleicht wächst ja auch aus dieser Forderung noch ein Projekt. (vs)
Sophia Grundner-Culemann
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Bengisu Elis, TUM