2021-03-04-BEAST-Praktikum
Neuartige Prozessoren im Praxistest
Andere Computerarchitekturen und Prozessoren kennenlernen: Damit schürt die Testumgebung BEAST (Bavarian Energy-, Architecture- and Software-Testbed) am Leibniz Rechenzentrum (LRZ) Neugierde. Informatik-Studierende der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) können sich beim BEAST-Praktikum ein Bild von den darin installierten AMD-, Marvell- und Fujitsu-Prozessoren (CPU) machen, die zur schnelleren Datenverarbeitung noch durch Grafikprozessoren (GPU) von AMD oder NVIDIA unterstützt werden: „BEAST bietet aktuellste Software und einen Zugang zu unterschiedlichsten Systemen, das ist für mich sehr spannend“, meint Sergej Breiter, Masterstudent der LMU und Absolvent des Praktikums.
Mit den genannten Prozessoren werden zurzeit die neuesten Supercomputer ausgestattet, auch deshalb interessieren sich Studierende für das BEAST-Praktikum, das TUM und LMU zusammen mit dem LRZ im Wintersemester 2020/21 organisierten. Insgesamt 26 Informatik-Studierende nahmen daran teil. In zwölf Trainingseinheiten von November bis Februar lösten sie in Gruppen praktische Aufgaben an den neuen Steuereinheiten von BEAST sowie an Rechenknoten des SuperMUC-NG von Intel. „Ziel des BEAST-Praktikums ist, moderne Hochleistungs-computertechnologien, unterschiedliche Rechnerarchitekturen und Speicherhierarchien auszuprobieren, diese mit Programmiersprachen und Software zu konfrontieren und die Erfahrungen zu vergleichen“, erklären die Dozenten Dr. Karl Fürlinger (LMU und Dr. Josef Weidendorfer (TUM), der das Programm „Future Computing“ am LRZ leitet. Nebenbei standen Präsentationen von Herstellern auf dem Programm, die Einblicke in technische Strategien vermittelten und Bau- oder Funktionsweisen erklärten.
Hardware noch besser kennenlernen
Bei den Informatik-Studierenden kommt diese Mischung aus Praxis und Theorie gut an: Sie untersuchten die Leistungen der Prozessoren mit Programmiererweiterungen wie OpenMP, CUDA oder anderen von Herstellern empfohlenen Anweisungen. Sie versuchten, auf den Systemen Speicher- und Rechenfunktionen zu beschleunigen, Systeme zu parallelisieren sowie mit Programmbibliotheken größere Vektor- und andere mathematische Gleichungen zu lösen. „Am meisten Spaß machte die Recherche von Hinweisen auf Herstellerseiten oder Communities, wie die Systeme am besten zu programmieren und wie Performanceprobleme zu beheben sind“, erzählt Breiter. „Dabei erfährt man eine Menge über die Hardware.“ Jeder Eingriff der verschiedenen Experimente musste dokumentiert werden, jeder Arbeitsschritt der Systeme anhand verschiedener Leistungsparameter gemessen und verglichen werden. „Das Tempo von dem AMD Rome-System war gigantisch, schon ohne Optimierungen der Codes war es schnell, und wir konnten es noch deutlich beschleunigen“, erzählt Ludwig Kratzl, Fachinformatiker Anwendungsentwicklung und im 5. Semester Informatik an der TUM. Sein Mitstreiter und Kommilitone Maximilian Bauregger ergänzt: „Mich hat ziemlich überrascht, dass es keinem von uns gelungen ist, die volle Leistung des sehr speziellen Fujitsu-Prozessors abzurufen.“
Vier Systeme mit diversen Variablen auf Herz und Nieren zu testen, ist aufwändig – und liefert Messwerte und Daten in großen Mengen: Arbeitsgruppen stellten vor jeder Studieneinheit ihre Erfahrungen mit den Experimenten, den Systemen sowie Messungen zur Diskussion. Die zufällige Auswahl der Vortragenden sichert das aktive Mitmachen. Doch dafür gibt’s auch exklusive Erfahrungen mit neuester Technik: „Meistens arbeiten wir ja nur mit Intel-Prozessoren, weil die am weitesten verbreitet sind“, sagt Kratzl. „Das BEAST-Praktikum hat meinen Horizont erweitert und mir viele Kriterien vermittelt, Computersysteme besser einschätzen zu können.“ Auch Bauregger hat von der Arbeit mit vier Systemen profitiert: „Ob ich so viele andere Systeme in meinem Berufsleben kennenlerne, ist eher unwahrscheinlich. Die Erfahrungen aus dem Praktikum helfen sicher, Leistungskriterien und -Probleme besser hinterfragen und lösen zu können.“
Offene Programmiersprachen pushen die Systeme
So unterschiedlich die zu testenden Systeme, so unterschiedlich auch die Vorkenntnisse der Teilnehmenden. Im BEAST-Praktikum saßen Master- und Bachelor-Studenten zusammen. „Alle sind mit der recht hohen Komplexität gut zurechtgekommen“, berichtet Dozent Fürlinger, durchaus überrascht. „Es handelt sich um neue Hardware mit nicht immer ausgereifter Software, bei der nicht immer alles reibungslos funktioniert.“ Daher lief auch im Praktikum nicht immer alles rund – „wir haben als Administratoren erst beim Machen gemerkt, was zur Bewältigung von einigen Aufgaben fehlte“. Außerdem wissen die Dozenten jetzt, dass sie die Zahl der Experimente und Übungsaufgaben reduzieren sollten. Und sie werden jetzt jede Menge Feedback der Studierenden zur Verbesserung am Praktikum nutzen.
Spannend für Fürlinger und Weidendorfer sind allerdings auch die eigenen Beobachtungen zum Umgang mit der Computertechnik: Trotz gleicher Aufgabenstellung unterschieden sich die Messwerte in den Gruppen teilweise deutlich; interessant wird sein, ob das in den nächsten Praktika so bleibt. Auch, dass der Prozessor von Fujitsu, der im derzeit schnellsten Supercomputer Fugaku in Tokio schafft, den Nutzer:innen viel Zeit zum Einarbeiten abverlangt, ist ein Detail, das die Planung von Supercomputern beeinflussen dürfte. „Interessant ist, dass bei den BEAST-Systemen auch mit GPUs das offene, standardisierte OpenMP zur Programmierung oft besser funktionierte als erwartet, auch wenn die von den Herstellern empfohlenen Programmiermodelle noch etwas mehr herausholen“, berichtet Weidendorfer. Eine Erkenntnis, die Ausbilder:innen nicht nur am LRZ und in den Universitäten interessieren dürfte. (vs)
Das BEAST-Praktikum wird in den nächsten Semestern wiederholt. Information über den Lehrstuhl Mathematik, Informatik und Statistik (LMU – „Praktikum Quantitative Analyse von Hochleistungssystemen) und Rechnerarchitektur und Parallele Systeme (TUM – „Evaluierung moderner HPC-Architekturen und -Beschleuniger“)