2021-03-03-Person to watch: Bengisu Elis

Sie erforschen Zukunftstechnologien wie Quantencomputer, entwickeln innovative Technik oder Algorithmen, bringen das Supercomputing, Künstliche Intelligenz oder das Maschinelle Lernen weiter: In loser Folge stellen wir hier junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, von denen wir sicher noch mehr hören: Die Computerwissenschaftlerin Bengisu Elis forscht an der Technischen Universität München für die Zukunft paralleler Systeme und Supercomputer.

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Forschen fürs Supercomputing

Einfach ist es nicht, ihren Job zu beschreiben. „Werden Computereinheiten mit einem Kabel zusammengeschlossen, kommunizieren sie beim Rechnen mit jedem anderen. Mein Job ist, diese Kommunikation zu verbessern“, sagt Bengisu Elis. So erklärt sie meistens ihren Eltern – beide Bankangestellte und Spezialisten für Geldanlagen – was sich hinter ihrer Forschung für die Promotion in Computerwissenschaften oder Computational Sciences verbirgt. Ihrem jüngeren Bruder bringt die Doktorandin der Technischen Universität München (TUM) ihr Fach anhand von praktischen Beispielen näher. Sie erzählt von Forschungsprojekten, für die Tausende von Prozessoren zu Supercomputern zusammengebaut werden, um Messdaten zu berechnen und daraus Wetterlagen, die Luftströmungen um Autos und Eisenbahnen zu simulieren oder Eigenschaften von Materialien und chemischen Verbindungen zu bewerten.

Technische Hilfe für Forschung und Wissenschaft

„Supercomputer sind nicht für die Allgemeinheit gedacht, sie arbeiten manchmal tage- oder wochenlang für ein Forschungsergebnis“, sagt Elis. „Mein Job ist dabei, Leistung und Laufzeiten zu verbessern, um Zeit und manchmal auch Geld einzusparen und Forscher:innen bessere Möglichkeiten zu geben, Fragen zu beantworten.“ Neben dem Linux-Cluster und dem SuperMUC-NG des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) gehört inzwischen auch die Testumgebung BEAST zur Spielwiese von Bengisu Elis: „Das neue Testfeld ist technisch interessant und für meine Arbeit ein äußerst wichtiges Werkzeug, daran kann ich unterschiedliche Architekturen untersuchen.“ Daher unterstützt Elis als Dozentin das BEAST-Praktikum und betreut Experimente oder Bachelorarbeiten von Studierenden, testet aber insbesondere für ihre Promotion, wie sie die Kommunikation von Prozessorentypen optimieren und damit deren Arbeit beschleunigen kann. An diesem Punkt kommt die Rede schnell auf die „Schönheit der Computational Sciences“, auf Sinn und die Motivation, sich überhaupt mit Steuereinheiten, Prozessoren, Chips, Supercomputern zu beschäftigen: „In vielen Bereichen der Natur- und Lebenswissenschaft sind Experimente nicht möglich, zu teuer oder umständlich. Computational Sciences und High Performance Computing helfen hier mit Technik und Algorithmen, Forschungsfragen nachzugehen. Das ist doch wundervoll“, sagt Elis mit einem kurzen Lachen.

Begeisterung klingt an, aber statt von neuen Technologien und Chancen zu schwärmen, reißt Elis lieber mit Argumenten und Erklärungen mit. Im Gespräch hört sie genau zu, überlegt für einige Antworten länger, unterstreicht diese mit bestimmten, ruhigen Gesten. Sie ist gradlinig, sehr sympathisch, zupackend, optimistisch: „Aufgrund wachsender Datenmengen dringen Computational Sciences gerade in jeden Wissensbereich vor, deshalb ist die Forschung in diesem Bereich so wichtig. Das macht mich glücklich, ich löse Probleme und entwickle Ideen für künftige IT-Architekturen, die Wissenschaft und Gesellschaft helfen können.“

Für mehr Leistung die Kommunikation der Prozessoren optimieren

Zu ihrer Berufung stieß die junge Forscherin eher zufällig und am Ende des Elektrotechnik-Studiums an der Orta Doğu Teknik Üniversitesi in Ankara. 2015 untersuchte sie in einem Forschungsprojekt Antennen- und Chip-Technik, modellierte Funktionen am Computer und war sofort fasziniert. Beim Rüstungskonzern Aselsan vertieft sie Erfahrungen als Elektroingenieurin, aber auch im High-Performance Computing (HPC), verlässt das Unternehmen aber nach kurzer Zeit, geht nach Deutschland und nimmt an der Technischen Universität München (TUM) das Masterstudium in Computational Sciences auf: „HPC soll der Menschheit helfen, mich interessierte die humane Seite mehr.“ Seit 2019 arbeitet Elis an ihrer Promotion und beschäftigt sich dafür intensiv mit dem Message Passing Interface (MPI), einem Standard für die Kommunikation zwischen Prozessoren oder Steuereinheiten. Hier wird wohl auch die nähere Zukunft des Supercomputings entschieden.

Die Menge parallel schaltbarer Prozessoren gerät allmählich an Grenzen. Die Systeme verbrauchen viel Strom, außerdem verändern sich ihre Aufgaben durch wachsende Datenmengen. Beispiel SuperMUC-NG: Hier können mehr als 311.000 Prozessoren gleichzeitig arbeiten, dafür braucht der Supercomputer aber bis zu vier Megawatt – der Rechner braucht also in einer Stunde in etwa so viel Energie wie ein Vier-Personen-Haushalt in einem Jahr. Eine verbesserte Kommunikation zwischen den Steuereinheiten (CPU) könnte Arbeiten beschleunigen und den Strombedarf senken helfen. Ganz ähnlich die Wirkung, wenn CPU mit spezialisierten Steuereinheiten, etwa Grafikprozessoren (GPU), und/oder sogenannten Acceleratoren und Beschleunigern kombiniert werden. Das aber verlangt nicht nur nach einem neuen Aufbau von Supercomputern, sondern verändert eben auch die Kommunikation zwischen den Komponenten. Der bekannte MPI-Standard muss folglich weiterentwickelt werden. Elis arbeitet daran: „Die steigende Komplexität von Systemen und Anwendungen verlangt nach neuen Optimierungsansätzen“, erläutert sie. „Die Idee ist ein gemeinsames Tool zur Kontrolle und Analyse der am meisten genutzten Funktionen.“

MPI an neue Technologien anpassen

Inspiration dafür findet die Wissenschaftlerin vor allem auf Reisen, in Corona-Zeiten eher beim Lesen. „Reisen, das bedeutet andere Kulturen und Denkweisen kennen lernen, und das ist auch in der Forschung wichtig.“ Deshalb schätzt sie auch die diverse, internationale Arbeitsumgebung in der TUM. Auch wenn sie Familie, Freunde und ihr Klavier in der Türkei sehr vermisst – beweglich zu bleiben, unterwegs zu sein, sind ihr zurzeit wichtiger. Der Traumjob? Wird sich nach der Promotion wohl eher in der Wissenschaft finden: „Ich will weiter forschen“, sagt Elis, „mir aber dabei keine Grenzen durch Strategien oder einer Unternehmenspolitik auferlegen lassen.“

Der Verbesserung von MPI ist die Wissenschaftlerin im TUM-Team bereits einen guten Schritt weitergekommen. Sie fokussiert ihre Forschung auf MPI-Werkzeuge und deren Optimierung. Dafür besucht Elis regelmäßig die Treffen des europäischen und internationalen MPI-Forums und diskutiert dort Vorschläge zur Änderung des MPI-Standards. Sie setzt sich dafür auch mit den ehemaligen Kolleg:innen des Lawrence Livermore National Laboratory auseinander, wo sie nach ihrem Master sechs Monate den dortigen Supercomputer Sierra studierte. So konnten sie an der TUM das MPI-Kontrollwerkzeug PMPI bereits an neue Technologien anpassen: QMPI heißt dieser mögliche Nachfolger, für den das Team bereits Anforderungen und Anwendungsfälle formuliert und einen produktiven Prototyp implementiert hat. Dessen Design und Integration wird gerade mit der MPI-Tools-Gruppe verbessert. Für Elis ist damit die Arbeit noch lange nicht beendet: „Mit Forschungsgeist“, sagt sie nachdenklich, „entstehen ständig neue Fragen, die du lösen willst.“ (vs)

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Persons to watch: Daniëlle Schuman