2021-02-02-Person-to-Watch-DSchuman
Sie erforschen Zukunftstechnologien wie Quantencomputer, entwickeln innovative Technik oder Algorithmen, bringen das Supercomputing, Künstliche Intelligenz oder das Maschinelle Lernen weiter: In loser Folge stellen wir hier junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, von denen wir sicher noch mehr hören. Den Auftakt macht die Informatikerin Daniëlle Schuman, zurzeit Masterstudentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Foto: Quantenannealer mit 5000 Qbits. D Wave Systems
Mit Quantum die Welt verbessern
Sie fällt bereits auf: „Deine Arbeit ist auf der Höhe der Zeit, und Du bist ein Beispiel für die hochkarätigen Köpfe im bayerischen Quanten-Ökosystem“, zeigte sich Laura Schulz, Mit-Initiatorin des Bavarian Quantum Computing eXchange-Networks (BQCX) des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ), begeistert. Im September 2020 hatte Daniëlle Schuman während eines digitalen Treffens der Community aus Forschenden und Unternehmer:innen das Ergebnis ihrer Bachelor-Arbeit vorgestellt. Darin beschäftigte sich die 23jährige Informatikerin mit neuronalen Netzwerken und zeigte auf, dass diese Anwendungen für das maschinelle Lernen nicht nur auf konventionellen Computern laufen, sondern auch auf Quanten-Annealern: „Tolle Präsentation eines hochaktuellen Themas“, lobte Dr. Fabio Baruffa, High-Performance Computing-Spezialist von Amazon Web Service (AWS), ihren Vortrag.
Mehr Lösungen für globale Fragen modellieren
„Dazu habe ich eine Bibliothek neuronaler Netze umgeschrieben, ergänzt und sie auf einem Quantum-Simulator getestet, das hat super funktioniert“, erzählt Schuman. „Hoffentlich gewinnt meine Arbeit in der Computerpraxis Relevanz.“ Davon ist auszugehen: Maschinelles Lernen unterstützt die Verarbeitung von Daten. Annealer wiederum sind Quantencomputer, und auf diesen ruhen die Hoffnungen von Wirtschaft und Wissenschaft, riesige Datenmengen noch schneller bewerten zu können. „Annealer sind spezielle Quantencomputer“, präzisiert die Master-Studentin. „Sie sind nicht so genau programmierbar, aber sie können bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilungen modellieren und kombinatorische Optimierungsprobleme schneller lösen.“ Logistik, Verkehrsplanung, Finanzwirtschaft oder Materialwirtschaft verbessern damit Transportwege, Kosten, Geldflüsse oder die Zusammensetzung von Stoffen. Kennzeichen der Aufgaben: Wenige Alternativen eröffnen zu viele Möglichkeiten. Um 5 Städte zu besuchen, gibt es 120 Varianten. 10 Städte eröffnen schon 3.628.000 Möglichkeiten. Bei 58 Städten sind es mehr als eine Tredezillion, eine Zahl mit 78 Stellen und so unvorstellbar groß, dass ihr Wert angeblich die Zahl der Atome im Weltall überschreitet. „Momentan können wir mit Supercomputern aus Messwerten nur jeweils einen möglichen Zustand modellieren, mit Quantencomputing könnten wir mehrere Varianten gleichzeitig berechnen“, sagt Schuman und erwartet von der Zukunftstechnologie mehr und schnellere Lösungen von globalen Fragen. „Annealer können dabei helfen, Szenarien für den Klimaschutz zu modellieren. Ich würde gern Menschheit und Natur mit meiner Arbeit weiterbringen.“
Mit neuen Formeln und Eingabeformaten experimentieren
Ihre Begeisterung zu den Naturwissenschaften und ihr soziales Engagement werden zuhause geweckt: „Mein Vater ist Informatiker und hat uns am Mittagstisch oft physikalische Effekte wie die Hebelfunktion oder die Schwerkraft erklärt“, erzählt Schumann. „Meine Mutter ist Medizinisch-Technische Radiologie-Assistentin, momentan Hausfrau und ehrenamtlich sehr aktiv.“ Bei einer Schülerakademie entdeckt sie selbst Chemie und Nanotechologie für sich, schreibt sich nach dem Abitur 2015 zunächst für Chemie ein, wechselt aber schnell zu Informatik und Philosophie an der Ludwig-Maximilans-Universität (LMU): „Mir liegt diese Wenn-Dann-Logik der Informatik und die Frage, wie ich Aufgaben abarbeiten muss, um damit zu Lösungen zu kommen.“ Am LMU-Lehrstuhl Informatik, im Fachbereich Mobile und Verteilte Systeme engagiert sich Schuman als Tutorin, lernt in einem Crashkurs Quantencomputing kennen, schließt sich einem Arbeitskreis an, findet dabei ihr Bachelor-Thema und außerdem ein sehr weites Feld für Grundlagenforschung. Sie spezialisiert sich auf Annealer und auf die Forschung zu deren Programmierung mit Hilfe der Quadratic Unconstrained Binary Optimization (QUBO), einem Code zur Berechnung von Möglichkeiten mit Hilfe von Matrizen. Über die Cloud und mit ihrem Laptop greift sie bereits auf Quantensimulatoren und Annealer zu: „Man bemerkt nicht wirklich einen Unterschied“, berichtet die Nachwuchswissenschaftlerin am Lehrstuhl, die an einigen Forschungsprojekten mitarbeitet. „Aber Quantencomputing erfordert ein neues Eingabeformat, die QUBO, und die Funktionen oder Gleichungen müssen mathematisch neu formuliert werden.“
Sich engagieren und ausprobieren
Daniëlle Schumann gestikuliert lebhaft, denkt über einige Fragen länger nach. Gerne würde sie das Zukunftsfeld Quantum nach Master und Promotion weiter beackern, durchaus im Ausland. Mit Niederländisch aufgewachsen, fallen ihr Fremdsprachen sehr leicht. Viel mehr aber ist die junge Forscherin fasziniert von der innovativen Technologie: „Quanteneffekte sind ein bisschen magisch“, erklärt Schuman mit Bedacht. „Man versteht sie noch nicht richtig, arbeitet aber bereits damit.“ Mit der Unbestimmtheit in ihrem Fach lebt sie gerne. Engagement bietet viele Möglichkeiten zum Lernen, Üben, Ausprobieren: Computerwissen vertieft Daniëlle Schuman erst als Tutorin, dann als Mitarbeiterin des IT-Sicherheitsmanagements am LRZ, wo sie half, das IET zu optimieren, und inzwischen als Hilfswissenschaftlerin am Lehrstuhl. Nebenbei beteiligt sich die Studentin immer wieder an Hackathons oder Programmier-Labs. So entwickelte sie zur Bewältigung der Corona-Krise bei #WirvsVirus mit Freund:innen Ideen für eine App rund ums Blutspenden oder tüftelte im Studierendenclub Push Quantum an Quantenlösungen für wirtschaftliche Probleme: „Ich gehe gern systematisch an Aufgaben ran, lese mich ein, plane mein Vorgehen, bevor ich mit dem praktischen Experimentieren beginne.“
Umweltschutz und Medizin stehen dabei besonders im Fokus: Daniëlle Schumans Schwester leidet an der seltenen Erbkrankheit Friedreich Ataxie, die zu neurologischen und orthopädischen Problemen führt. Die Informatikerin kämpft im gleichnamigen Förderverein um die Entwicklung von Medikamenten und Therapien sowie den einfacheren Zugang dazu, liest sich dafür sogar in Pharma-Studien ein und sammelt online Unterstützer:innen für das Anliegen. „Einfach machen“, lautet ihr Motto. „Wenn Du’s nicht machst, macht’s keiner.“ (vs)
Foto: Daniëlle Schuman, LMU