Zukunftsmusik Quantum Computing (DE)

Grafik_BQCX

Sie sollen schneller rechnen und größere Datenmengen verarbeiten können: Obwohl die Technologie sich noch im Experimentierstadium befindet und viele Fragen stellt, sollen Quantencomputer einmal Superrechnern Konkurrenz machen. Noch wird vor allem laut nachgedacht, aber der Wettlauf um erste einsatzfähige Quantentechnik, um den Beweis der Überlegenheit dieser Technologie sowie um die beste Positionierung auf einem Zukunftsmarkt nimmt Fahrt auf. Das war im Januar auf dem fünftesTreffen des Bavarian Quantum Computer eXchange-Netzwerks (BQCX) zu spüren, das sich jeden zweiten Mittwoch eines Monats am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching trifft: Google sowie die Startups IQM und Quantum Brilliance präsentierten ihre Lösungen zur Stabilisierung von Qubits, zum Aufbau denkbarer Prozessoren, nicht zuletzt zur Konstruktion von Hardware – und nebenbei viel Hoffnung auf große Geschäfte.

Money, Money, Money

Im Gegensatz zu einem Bit können Qubits, die kleinstmögliche Recheneinheit fürs Quantencomputing, mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen und damit schneller und mehr rechnen. Das weckt Begehrlichkeiten. Forschung und Industrie produzieren immer größere Datenmengen, für deren Verarbeitung selbst Supercomputer viel Zeit brauchen. Quantencomputer sollen einmal die Daten zur Steuerung von Verkehrs- und Geldströmen, zur Suche nach neuen Wirk- und Werkstoffen in Pharmazie und Chemie oder zur Verschlüsselung von Informationen verarbeiten. Noch ist das Zukunftsmusik, aber die USA und China investieren bereits offensiv, 2018 flossen allein in den USA 450 Millionen Dollar in Deep Techs, Start-ups, die Grundlagen des Quantencomputings erforschen und dazu technische Lösungen liefern. Nebenbei wollen sich auch Konzerne wie Google, IBM, Baidu oder Alibaba weit vorne positionieren und stecken dazu Milliarden in ihre Entwicklungen.

In Europa ist die nächste Generation der Computer vor allem ein Thema von Forschung und Wissenschaft, allerdings forcieren auch hier einige Unternehmen ihre Bemühungen. Mindestens eine Milliarde Euro will die EU bis 2030 bereitstellen, um die Grundlagen für ein Quantensystem made in Europe zu schaffen. „Das sollten wir nutzen“, meint Jan Goetz, der in München zu Quantenprozessoren promovierte, in Finnland IQM mitgründete und für das Start-up mehr als 11 Millionen Euro Kapital einwarb: „Durch öffentliche Förderung ist Europa Weltspitze im akademischen Bereich.“ Universitäten und wissenschaftliche Rechenzentren können folglich im Ideen-Wettbewerb um Quantentechnologie mithalten.

Diamonds are the Qubits friends

Quantencomputer rechnen anders als die aktuellen Systeme, sie nutzen die physikalischen Eigenschaften kleinster Teilchen. Diese sind allerdings überaus empfindlich, so dass die Qubits nur mit höchstem Aufwand zu erreichen – und vor allem zu halten sind. Experimentiert wird etwa mit chemischen elektromagnetischen, oder optischen Verfahren. „Die meisten von ihnen operieren mit Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, erfordern kyrogene Kühltechnik und ultra-stabile Laser“, erläutert Andrew Horsley, Mitgründer von Quantum Brilliance und promovierter Physiker. „Komplexität und Kosten limitieren aber die Nutzung und die Marktgröße.“

Daher setzt das australische Start-up auf Diamanten, um Qubits und damit auch Prozessoren aufzubauen. Das optische Verfahren nutzt die Strahlkraft, die winzigste Stickstoff-Vakanzen im Kern der Steinsplitter bieten. Statt Temperaturen um minus 270 Grad, so zeigen erste Tests, könnte diese Technologie das Arbeiten der Qubits in Raumtemperatur ermöglichen. Bis 2021 wollen die Australier mit Hilfe von Diamant-Splittern Quantum Processing Units (QPU) von drei bis fünf Qubits sowie ein tragfähiges Gerät für praktische Rechnungen entwickeln, das auch Supercomputer unterstützen könnte. Mit Partnern aus Forschung und Industrie sollen bis 2030 QPU mit 100 und mehr Qubits entstehen: „Quantencomputing für alle – das ist unsere Vision“, so Horsley.

The Power of Quantum

Drei bis fünf Qubits – das hört sich nicht nach viel Kraft an. Doch Qubits können, je nach quantenmechanischem Einfluss, nicht nur jeweils einen Zustand wie die Bits annehmen, sondern gleich zwei. Und sie verschränken sich miteinander. Das potenziert ihre Leistung exponentiell, im Gegensatz zu ihren Vorgängern arbeiten Quantencomputer zudem Rechenaufgaben nicht in einzelnen Schritten, sondern gleichzeitig ab. Google will mit seinem Sycamore einen ersten Prozessor entwickelt haben, der mit 54 Qubits arbeitet und in Minuten eine Wahrscheinlichkeitsrechnung durchkalkuliert, für die Supercomputer Tausende von Jahren benötigen. Doch nicht nur Konkurrent IBM zweifelt an den Zeitangaben.

Trotzdem – die 53 Qubits, die die komplexe Berechnung von Zufallszahlen tatsächlich bewältigten, können allerdings mehr als 9 Billiarden (eine Zahl mit 16 Stellen) Zustände einnehmen und damit unvorstellbare Fließkomma-Rechnungen verarbeiten. Alan Ho, der bei Google die Produkt- und Geschäftsentwicklung im Bereich Quantum und Künstliche Intelligenz leitet, gab in Garching Einblicke in den Sycamore-Test: Zum Rechnen wurden die Qubits auf drei unterschiedliche Arten verschaltet, brachten aber trotzdem jeweils dieselben Ergebnisse. „Ob geschlossene, gepatchte oder volle Schaltung – vorhergesagte Fehler hängen nicht von den Qubit-Verbindungen oder computerbasierter Komplexität ab“, schließt Ho daraus. Google will die Zahl der kleinsten Speichereinheiten in seinem System bald auf 57 erhöhen und lädt Forscher wie Industrie ein, Sycamore mit realen Rechenaufgaben zu fordern.

Thinking out Loud

Sehr starke Kühlung, unterschiedlichste physikalische Verfahren zur Speicherung von Information – Quantencomputer fordern eine neue Technik: IQM ist eines jener Unternehmen, die sich um Hardware für das neue Computerzeitalter kümmert. Das finnische Start-up verbessert mit einer Mehrkanal-Auslese die Extraktion der Ergebnisse. Die Systeme von IQM stellen zumindest höhere Taktfrequenzen zukünftiger Quantencomputer in Aussicht. „Reset und Auslesen verbrauchen am meisten Zeit“, erläutert Goetz. „Je schneller diese Vorgänge werden, umso weniger Information geht verloren.“ Wie auch Quantum Brilliance setzt auch IQM auf Partnerschaften aus dem Supercomputing zur Weiterentwicklung seiner Technik.

Das alles zeigt: Quantentechnologie stellt noch viele Fragen. Auch wenn Forschung, Industrie und sogar Politik bereits über die nächste Generation der Computer laut nachdenken, es wird noch lange dauern, bis aus diesen unterschiedlichen Stimmen ein einheitliches Werk oder Produkt wird.

Weiterführende Links

https://oninnovation.com.au/en/ON-teams/ON-Accelerate6-Teams/Quantum-Brilliance
https://www.meetiqm.com/
https://www.ausvisionenwerteschaffen.de/quanten-computing-hype-und-revolution/
https://tool.handelsblatt.com/specials/quantencomputer/#!#wt_eid=2156147599753772873&wt_t=1580294876265