Partnerschaftlich in die Zukunft

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Im Team entstehen mehr und bessere ideen und innovationen: Daher wird der nächste Supercomputer des LRZ gemeinsam mit Technologieanbietern in einer Inovationspartnerschaft entwickelt. Foto: Nejc Soklic/Unsplash

Er soll modernste Technik enthalten, Komponenten, die (noch) nicht verkauft werden und die der Forschung neue Möglichkeiten offerieren: Bei der Beschaffung seines nächsten Supercomputers setzt das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) auf ein neues Verfahren, die Innovationspartnerschaft. Die Architektur des neuen High-Performance Computers (HPC) wird bis 2024 gemeinsam mit Technologie-Unternehmen entwickelt, dazu Prototypen konstruiert oder bestehende Komponenten an spezifische Bedürfnisse angepasst. „Schon seit den 2010er Jahren ist klar, dass die nächste Generation von HPC-Systemen, die Exascale-Rechner, im Co-Design entstehen werden, im wissenschaftlichen Umfeld der USA bauen viele Institutionen auf die gemeinsame Entwicklung von Hard- und Software“, erklärt Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller, Leiter des LRZ. „Wir wollten die Beschaffung unserer Systeme verbessern, die Innovationspartnerschaft bot sich dazu an.“ Auch die Geldgeber, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, gaben grünes Licht. Und so kann der nächste Supercomputer fürs LRZ als erster in Europa in einer Innovationspartnerschaft geplant werden. „Passend zu unseren Bedürfnissen“, erwartet Kranzlmüller, „können wir gemeinsam mit Herstellern innovative Computing-Ansätze erforschen, evaluieren und schließlich im ExaMUC umsetzen.“

Werkzeug zur Modernisierung und Wirtschaftsförderung zugleich

In Deutschland sind Innovationspartnerschaften seit 2016 möglich. Staat und Länder unterstützen diese Beschaffungsmethode, weil sie die Entwicklung von neuen Angeboten und innovative Unternehmen unterstützt, außerdem die Verwaltung und öffentliche Institutionen modernisieren hilft. „Die öffentliche Hand gibt pro Jahr in Deutschland rund 500 Milliarden Euro aus“, stellt Matthias Berg, Leiter des Kompetenzzentrums für innovative Beschaffung, KOINNO, fest. „Wenn dabei nur ein Prozent in neue Produkte und Dienstleistungen fließt, dann ist das eine enorme Wirtschaftsförderung.“ Berg begleitet Innovationspartnerschaften, die meisten sind auf mehrere Jahre angelegt und verlaufen in mehreren Phasen. Am LRZ begleiten etwa zehn Spezialist:innen aus unterschiedlichen Bereichen die Beschaffung, die Anfang 2022 mit dem Teilnahmewettbewerb begann: In mehreren Runden und bis Mitte April konkurrierten Hardware-Unternehmen mit Vorschlägen, wie sie die System-Ideen und technischen Vorgaben für das ExaMUC-System realisieren wollen. Bis Mitte Juli sind die Bieterfirmen nun aufgefordert, dem LRZ offizielle Angebote mit detailliert ausgearbeiteten Co-Design-Schritten zu übermitteln. Im Juli wird schließlich das Vertragswerk stehen und werden die praktischen Entwicklungsarbeiten am neuen System mit den Unternehmen starten. Bis 2024 hat sich dann herausgestellt, welches Unternehmen den ExaMUC aufbauen und betreuen wird.

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Der SuperMUC-NG tritt jetzt in seine zweite Phase und braucht bald einen Nachfolger. Foto: V.Hohenegger/LRZ

„Die Innovationspartnerschaft ermöglicht es uns, mit mehreren Anbietern gleichzeitig Technologien für das nächste System zu entwickeln und zu optimieren“, nennt Herbert Huber Vorteile. Der promovierte Physiker leitet seit zehn Jahren die Abteilung Hochleistungssysteme am LRZ und hat bereits mehrere Supercomputer mitgeplant und beschafft. „So können wir die Unternehmen und ihre Arbeitsweise schon weit vor der Lieferung des Höchstleistungsrechners kennenlernen.“ In die Innovationspartnerschaft des LRZ fließen außerdem die Erfahrungen aus dem Future Computing und mit der Testumgebung Bavarian Energy, Architecture and Software Testbed (BEAST) ein. Auch das Team Artificial Intelligence Big Data und die Gruppe Computational Science Support (CXS), die Forschenden bei der Optimierung von Algorithmen und deren Implementierung in HPC-Systemen unterstützt, arbeitet an Vorschlägen und Spezifikationen mit. Die Hoffnungen sind hoch, dass das Zusammenspiel der Komponenten des Supercomputers schon im Vorfeld getestet und verbessert werden kann. Außerdem sollen die bisherigen Anlaufschwierigkeiten abnehmen, wenn das System die Arbeit aufnimmt. „Wenn die ersten technischen Schritte und Verträge geklärt sind“, plant Huber, „werden wir daher auch Anwender:innen in die Entwicklungsarbeiten einbeziehen.“

Aufwand, Diskussionen und Risiken

Innovationspartnerschaften sind aufwändiger als andere Beschaffungsverfahren: „Sie lohnen bei Produkten mit hohem Investitionsbedarf und bei Neuentwicklungen“, beobachtet Berg. „Allerdings gibt es meist nur eine vage Idee von der zu entwickelnden Technik oder Dienstleistung, die Verträge werden über Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie Prototypenbau geschlossen.“ Diese berühren Urheber-, Patent- und auch Vermarktungsrechte und werden daher individueller und detaillierter ausgefertigt. Außerdem sind viele Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Das LRZ muss unter anderem sicherstellen, dass alle Unternehmen mit den gleichen Informationen arbeiten und keiner von den technischen Neuerungen der anderen erfahren kann. Die Prototypen von Prozessoren, Acceleratoren und weiteren Komponenten werden daher in unterschiedlichen und abgeschlossenen Racks installiert. Innerhalb der Taskforce ist jetzt außerdem höchste Vorsicht in schon bewährten, persönlichen Beziehungen gefragt: „In der übersichtlichen HPC-Community haben wir es mit Personen und Unternehmen zu tun, die wir alle gut kennen“, erzählt Huber. „Aber im persönlichen Gespräch fällt es leichter, sich beiläufig Informationen zu verschaffen, die eventuell Vorteile bringen.“

Innovationskenner Berg empfiehlt außerdem, den Zeitaufwand nicht zu unterschätzen. „Für die einzelnen Entwicklungsschritte sollten die Konstruktionsvorgaben und vor allem die Prüfkriterien sorgfältig definiert und ausgearbeitet werden“, sagt er. „An den Diskussionen sollten möglichst viele beteiligt sein, damit unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse berücksichtigt werden.“ Auch wenn mehrere Unternehmen an einem Problem arbeiten und dafür honoriert werden, helfen Innovationspartnerschaften durchaus beim Sparen. Ersten Erfahrungen zufolge können im IT-Bereich durchaus bis zu 30 Prozent eingespart werden, weil Hardware oder Software gezielter auf reale Bedarfe entwickelt werden. Teilnehmende Unternehmen gehen zwar das Risiko ein, dass Lösungen nicht funktionieren oder nicht ausgewählt werden. Dafür können sie aber die während der Kooperation entstandenen Produkte verbessern und vermarkten. Auch nicht gesichert ist, ob die Pläne der ausschreibenden Organisation zu realisieren sind: „Gut möglich, dass Vorstellungen scheitern, aber die Erfahrungen sind für alle Beteiligten wertvoll. Scheitern gehört eben zu Innovationen, aber der öffentliche Dienst tut sich damit schwer, weil er über seine Ausgaben Rechenschaft ablegen muss“, sagt Berg und macht zugleich Mut: „Ich habe aber noch keine Innovationspartnerschaft scheitern sehen, obwohl das Verfahren komplex und die Risiken hoch sind.“ (vs)