Schulausflug ans LRZ

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Reinschauen und auseinander nehmen: Computer begreifen. Foto: vs/LRZ

Nebensächlichkeiten können spannend sein: Dass die Klebematten vor dem Computer-Raum im Rechenwürfel des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) laut schmatzen, wenn der Fuß darauf gehoben wird, verleitet sofort zum Hüpfen und vielen kleinen Schritten. Aber dann ist der SuperMUC-NG doch interessanter. „Haben Computer Gefühle“, fragt ein Schüler und seine Freundin sieht sofort: „Hier gibt’s ja gar keine Tastatur, wie gibt man denn dem Rechner Anweisungen?“

Rainer Oesmann, Mitarbeiter am LRZ, führt heute sechs Jungen und Mädchen einer sechsten Klasse des Gymnasiums Kirchheim durch den Rechnerwürfel, muss dabei viel Alltägliches erklären, manchmal auch ein bisschen lachen. SuperMUC-NG, erzählt er, habe zwar einen Namen, zeige aber weniger Gefühle, sondern manchmal eher ein paar Macken. Die Befehle an den Großrechner kämen über Datenleitungen von den Laptops und Computern der Forschenden an Universitäten in ganz Deutschland und Europa. Und schon leitet er die Gruppe durch die Computerschränke und erklärt den Kindern, warum es hier heiß wie in einer Sauna ist: „Hier arbeiten 311.040 Rechenknoten und produzieren dabei ganz schön viel Wärme.“ Die Jungen und Mädchen fühlen an den Rohren der Wasserkühlung die unterschiedlichen Temperaturen, schauen sich die imposanten Gasflaschen des Löschsystems an und beobachten die surrenden Speicherroboter mit Tausenden von Tapes.

MINT-Fächer praktisch erleben

Das LRZ macht Schule: Das wissenschaftliche Rechenzentrum beteiligt sich am Programm TUMjunior, das unter Schüler:innen das Interesse für mathematisch-naturwissenschaftliche Themen und Informatik, für die MINT-Fächern, wecken soll. „TUMjunior wird vom bayerischen Kultusministerium unterstützt und richtet sich an Schüler:innen der Jahrgangsstufe 5 bis 10. Für jede Klasse stehen pro Schuljahr drei Exkursionen zu verschiedenen Lernorten auf dem Plan“, erklärt Dr. Magdalena Kaden von der School of Social Science and Technology der Technischen Universität München (TUM). Zusammen mit Kolleg:innen koordiniert die Pädagogin unter der Leitung von Privatdozentin Dr. Jutta Möhringer, die TUMjunior initiierte, das Programm und evaluiert seinen Nutzen. „Wenn Lernende Technik sehen, erleben und damit sogar selbst umgehen können, dann wächst die Motivation, sich intensiver damit zu beschäftigen“, sagt sie. „TUMjunior soll Schüler:Innen den Prozess naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns, der allen MINT-Fächern zugrunde liegt, erfahr- und buchstäblich begreifbar machen.“

Neben dem LRZ besuchen TUMjunior-Klassen je nach Jahrgangsstufe auch Experimentierlabor TUM-Lab im Deutschen Museum, die Mathematik-Ausstellung ix-quadrat, das Planetarium des European Southern Observatory (ESO) oder den Botanischen Garten. Auf dem Lehrplan für Natur & Technik in der 6. Klasse stehen erstmals Computer und Informatik. Daher schauen sich von Oktober bis Dezember insgesamt 17 sechste Klassen von drei Gymnasien aus Garching, Kirchheim und Unterföhring vormittags am LRZ um. Dort bauen sie unter Anleitung der LRZ-Auszubildenden Personal Computer auseinander, schauen sich Fest- und Speicherplatten, Platinen und Prozessoren an und bauen diese wieder zusammen, um danach ein abgespecktes Linux-Programm zu starten und damit eine Datei anzulegen, abzuspeichern, zu verändern.

An fremden Orten Einblick gewinnen

„Viel besser als in der Schule“, kommentiert ein Junge und wendet sich schnell wieder den Kabeln an der Festplatte zu. „Heute sind doch alle technischen Geräte verschweißt, es ist ein absoluter Gewinn für alle, dass wir hier einmal in einen PC reinschauen und die Einzelteile aus den grauen Kästen kennenlernen können“, sagt Philipp Augat, der Deutsch, Geschichte und Informatik unterrichtet und im Administrationsteam vom Gymnasium Kirchheim mitarbeitet. „Ein fremder Ort ist für die Kinder viel interessanter, hier lassen sich viele technische Fragen besser veranschaulichen.“

Am LRZ haben die Ausbildungsverantwortlichen Petra Gärner und Alessandro Podo den Besuch der Schulgruppen mit den Auszubildenden und in Zusammenarbeit mit den Lehrkräften von TUMjunior vorbereitet, ein Manual für den Umgang mit den technischen Komponenten sowie ersten Linux-Befehlen erstellt. Die Kinder lernen hier, wie Supercomputer aufgebaut werden, und wofür Forschende den SuperMUC-NG einsetzen: für Simulationen der Erde zum Beispiel, Visualisierungen von Turbulenzen im All und vom Blutfluss im Körper oder aber für die Berechnungen von Strömungen. „Wir wollen weg von den Führungen, die Schüler:innen sollen an den Lernorten selbst aktiv werden, Naturwissenschaften und Technik praktisch erleben können“, sagt Kaden. „Die jeweiligen Exkursionen sind systematisch in den Unterricht eingebunden und werden anhand der TUMjunior-Materialien vor- und nachbereitet.“

Forschung begreifbar machen

Noch ist TUMjunior im Versuchsstadium, die drei Gymnasien sind Pilotschulen. Für eine Studie werden Lehrende und Lernende befragt, ihr gewonnenes Wissen dokumentiert. Bestätigen sich dabei die pädagogischen Annahmen, dass Naturwissenschaften und Informatik durch Mitmachen begreifbarer und interessanter werden, soll das Programm für weitere Schulen und bayernweit geöffnet werden. Schüler:innen können dann noch mehr Lernorte besuchen; Lehrerinnen und Lehrer wiederum finden zu Exkursionsangeboten passende Materialien, um Unterrichtsstoff und Ausflüge sinnvoll zu verzahnen „TUMjunior will Lehrende weiter professionalisieren, damit sie Methoden wie Exkursionen in ihren Unterricht einbetten“, erläutert Kaden. „Kinder finden sich übrgens besser zurecht, wenn sie einen Lernort mehrmals besuchen können.“ Durchaus möglich, dass die Sechstklässer:innen von heute in zwei, drei Jahren wiederkommen: Am LRZ gibt’s ja neben Supercomputern noch viel mehr Interessantes zu entdecken – Visualisierungstechnik etwa, Künstliche Intelligenz und vor allem viele spannende Forschungsarbeiten. (vs)

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 Die Archivierungs-Roboter und -Systeme begutachten. Foto: A.Podo/LRZ

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Zum ersten Mal coden mit Linux. geht einfach. Foto vs/LRZ