Quantencomputing am LRZ

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Quantencomputer in Espoo/ Finnland. Foto: IQM

„Die richtigen Spezialist:innen fürs QIC zu finden und zu begeistern“

Zahlreiche Medienberichte, viele „Likes“ und Follower in den sozialen Medien: Die feierliche Eröffnung mit politischer Prominenz und vielen Wissenschaftler:innen hat dem Quantum Integration Centre (QIC) am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) viel Aufmerksamkeit beschert. Luigi Iapichino, promovierter Astrophysiker, leitet das Team Quantencomputing am LRZ, zur Seite steht ihm dabei Stefan Huber, promovierter Quantenphysiker, der den künftigen Anwender:innen Zugang zu den ersten Quantensimulatoren verschaffen und sie bei ihren Arbeiten unterstützen wird. Das Interesse, mit der Quantum Learning Machine (QLM) von Atos oder dem 42-Qubits-Simulator von Intel zu arbeiten, steigt in der Wissenschaft. Das QIC bereitet sich darauf vor, sein Portfolio um zusätzliche Ressourcen und Dienstleistungen zu erweitern. „Dafür bauen wir jetzt Strukturen auf“, sagt Luigi Iapichino. Wie es sich für weitere Forschungsprojekte rüstet und was dabei internationale Vernetzung bringt, erklären Iapichino und Huber im Interview.

Nach der Eröffnung geht’s jetzt an die Arbeit – was steht jetzt auf der Agenda des Qantum Integration Centres oder QIC? Dr. Luigi Iapichino: Das QIC ist ja nicht aus dem Nichts entstanden, es ist ein Schirm, unter dem sich alle Quantenaktivitäten des LRZ sammeln. Die feierliche Eröffnung hat dem QIC viel Sichtbarkeit gebracht, am LRZ gibt es aber schon seit Längerem erste Quanten-Systeme – der 42-Qubits-Simulator von Intel wird jetzt noch durch die neue Quantum Learning Machine von Atos mit 38 Qubits ergänzt. Das LRZ ist Partner von Quanten-Forschungsprojekten wie zum Beispiel das „Digital-Analoge Quantencomputing – DAQC“ vom Bundesfoerschungsministerium, es hat die bayerische Quanten-Community BQCX bereits im Juni 2019 etabliert und schon erste Trainings zum Thema Quantencomputing angeboten. Diese Aufgaben werden wir konzentriert weiterführen, dafür bauen wir jetzt Strukturen auf. Gesucht werden Quanten-Spezialist:in und -Ingenieur:innen, außerdem richten wir noch ein Testlabor ein. Anfang Mai haben wir mit Atos einen Einführungskurs zum Umgang mit der Quantum Learning Machine mit 12 Teilnehmenden ausgerichtet, weil sie technisch ganz anders funktioniert als Hochleistungsrechner.

Gibt es bereits Anträge zur Benutzung des Quantum Simulators oder für die Learning Machine des QIC? Iapichino: Das Interesse an Quantum-Ressourcen ist sehr hoch. Wissenschaftler:innen der Münchner Universitäten unterstützten das LRZ beim Evaluieren von Technik und Simulatoren und gaben Feedback, als wir ihnen die neuen Services beschrieben. Gerade vernetzt sich die Forschung mit Herstellerunternehmen – andere Rechenzentren in Europa installieren ähnliche Systeme, auf Konferenzen werden Erfahrungen ausgetauscht. Wir entwickeln selbst Forschungsprojekte und werden uns an weiteren beteiligen. So bereiten wir uns auf die Zukunft vor, es gibt ja noch keine Quantencomputer, die besser arbeiten als die Quantensimulationen eines Supercomputers.
Dr. Stefan Huber:
Quantencomputer sollen unter anderem bei der Primzahl-Faktorisierung schneller sein und Listen besser durchsuchen können. In München hat sich eine große Nutzergemeinde gebildet, die Stadt zählt zu den Hotspots des Quantencomputings. Die Disziplinen Quanteninformation und Quantenkommunikation erforschen die Veränderungen, die die Quantenmechanik für die (Computer)Technik bringt und brauchen dazu Simulatoren, um theoretische Grundlagen und Algorithmen zu entwickeln und diese mit kleineren Systemen auch zu testen. So lange es noch keinen universellen Quantencomputer gibt, lässt sich daran auch Quantenchemie modellieren. Das Gute an der Atos QLM ist, dass mit ihrer Hilfe unterschiedliche Quantensysteme inklusive ihres individuellen Rauschens simuliert werden kann. So ermöglicht sie den Vergleich von Aufbaukonzepten und zeigt, ob und wie Algorithmen auf unterschiedlichen Systemen funktionieren.

Ganz praktisch – wie bekommen Forscher:innen Zugang zu den Simulatoren am LRZ? Iapichino: Zugelassen werden in der Einführungsphase erstmal nur die Teilnehmenden des Einführungskurses mit Atos, so können wir erste Erfahrungen oder Anleitungen dokumentieren und Bedürfnisse kennenlernen. Danach werden wir den Nutzerkreis systematisch erweitern.
Huber:
Voraussichtlich werden wir wie beim Linux-Cluster in erster Linie Rechenzeit an die Master User vergeben. Jeder interessierte Lehrstuhl verfügt über ein festgelegtes Kontingent an Rechenzeit am Cluster, wird davon mehr gebraucht, können die Master User das bei uns beantragen. Noch sind die Prozesse aber nicht festgelegt.

Arbeitet ihr beiden selbst mit den Simulatoren oder Lernmaschine? Huber: Ich habe Theorien der Quanteninformation erforscht und dabei die Grenzen der Quantenkommunikation ausgelotet. Deshalb interessiert mich das persönlich, nach einem Programmierkurs bei IBM probiere ich immer mal wieder die Simulatoren aus, baue Gatter und Schaltkreise auf, versuche Algorithmen zu integrieren. Nichts Konkretes, aber ich möchte mit den Maschinen warm werden.
Iapichino: Ich habe gerade nicht die Zeit dafür, weil ich damit beschäftigt bin, zusammen mit Intel Labs die Performance des Quantensimulators zu steigern. Aber ich habe schon ein paar Ideen, die Quantum Learning Machine zu testen.
Huber:
Stimmt – ein harter Vergleich der beiden Simulatoren bringt sicher auch interessante Erkenntnisse für unsere Nutzer:innen.

Sind weitere Anschaffungen im Bereich Quantum geplant? Iapichino: Das ist Teil der Strategie. Die meiseten Herstellerfirmen veraufen bislang noch keine Systeme, auch nicht an Universitäten oder Forschungseinrichtungen. Das heißt für uns, wir entwickeln selbst Komponenten, wie es im DAQC-Projekt geplant ist, hosten Testsysteme, die im Rahmen von Forschungsprojekten angeschafft werden, und wir verhandeln mit den Unternehmen, damit wir unseren Nutzer:innen Remote Access zu deren Quantensystemen bieten können. Dazu führen wir gerade viele Gespräche.

Was sind die praktischen Aufgaben des LRZ QIC im Forschungsprojekt DAQC? Iapichino: Das LRZ ist das einzige Rechenzentrum im Konsortium, wird demnächst eine Quantum Processing Unit, QPU, des finnisch-deutschen Startups IQM in ein HPC-System integrieren und danach ausloten, wie man einen Quantenchip mit Hilfe von Supercomputing weiterentwickeln kann. Dabei spielt die Anbindung zur Hardware ebenso eine Rolle wie die Software, um die Systeme miteinander zu koppeln, außerdem HPC-Programmiermodelle. Der Chip oder die QPU wird in einem Labor arbeiten, in dem wir auch ein kleines HPC-Testsystem installieren.

Gibt es weitere Forschungsprojekte, an denen das QIC beteiligt ist? Iapichino: Ende April 2021 startete BayQS – das Bayerische Kompetenzzentrum Quanten Security and Data Science. Zusammen mit dem Fraunhofer Institut für angewandte und Integrierte Sicherheit und den Münchner Universitäten erforschen wir relevante Software- und Technikfragen zum Quantencomputing. Es geht um Programmierung, um die Zuverlässigkeit und Sicherheitsfragen, auch um die Simulation von Quantenrechnern an Supercomputern und um die Entwicklung von Algorithmen. Forschungsziele sind Konzepte zum Aufbau und für Architekturen von Quantencomputern. Zwei weitere Forschungsprojekte sind gerade in Vorbereitung. Wir bekommen Einiges zu tun.

Wie finden sich Anwender:innen und Forschungsprojekte fürs QIC? Iapichino: Das LRZ und sein QIC sind zwar noch neu in der Quanten-Gemeinschaft, aber wir haben einen sehr guten Ruf als Supercomputing Zentrum. Seit zwei Jahren laden wir regelmäßig die BQCX-Community ein – BQCX steht für Bavarian Quantum Computing eXchange – und durch die Teilnahme am Munich Quantum Valley sind wir sehr gut vernetzt in der lokalen, regionalen und internationalen Quanten-Community, außerdem gibt es enge Kontakte zu den Universitäten in München und Bayern, auch diese Verbindungen reichen in alle Welt. Wir beteiligen uns an Ausschreibungen. Nicht zuletzt sind unsere Kolleg:innen, vor allem das LRZ-Direktorium und der Beirat bestens in der Wissenschaft verdrahtet, auch so erfahren wir von Forschungsaufgaben, in die wir unsere Expertise einbringen können.

Wenn ihr einen Wunsch frei hättet – was wünscht ihr euch für das QIC? Huber: Dass wir es schaffen, den großen Schwung, den das Thema Quantencomputing gerade in der Öffentlichkeit erfährt, richtig auszunutzen, also viele Forschende dafür interessieren und nützliche, stabile Services aufbauen. Und dass Quantencomputing wie HPC einmal mehr und mehr Forschungsgebiete unterstützen wird.
Iapichino: Das LRZ ist im HPC-Bereich international anerkannt, wenn wir in fünf Jahren einen ähnlichen Ruf im Quantencomputing wie im Supercomputing erreichen, dann wäre das ein großer Erfolg. Das betrifft weniger die Systeme, ein großer Wunsch ist, für das QIC die richtigen Spezialist:innen zu finden und sie zu begeistern.

Ich dachte jetzt eigentlich, die Wünsche betreffen Technik, Systeme, Anschaffungen. Huber: Beim Quantencomputing verändert sich so viel so schnell, dass es schwer fällt sich eine bestimmte Technik zu wünschen. Wir werden bald noch mehr Test-Systeme in Garching haben. Noch ist Quantencomputing in der Testphase, aber es ging doch ums QIC – und dafür ist es wichtiger, welche Rolle wir spielen können und werden. (interview: vs)

Luigi

Dr. Luigi Iapichino

stefan

Dr. Stefan Huber