Rede von Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers MdB
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers MdB
Rede zum Start des Gigabit-Testnetzes des DFN-Vereins "Erlangen-München-Berlin" sowie zur Einweihung des neuen Hochleistungsrechners am 13. August 1998 in München
Sehr geehrter Herr Präsident Nöth,
verehrter Herr Professor Hegering,
lieber Herr Kollege Faltlhauser,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
wir geben heute den Startschuß für das zweite Gigabit-Testnetz in
Deutschland, das die Forschung zwischen München und Erlangen, und dann
auch Berlin im Hochgeschwindigkeitstakt miteinander verbindet.
Von dieser heutigen Veranstaltung gehen drei Botschaften aus:
1. Bayern unterstreicht seine Spitzenposition bei der Entwicklung und Anwendung der innovativsten Technologien der Wissensgesellschaft.
2. Der Verein Deutsches Forschungsnetz kommt seinem Ziel und seiner Aufgabe, der ganzen Wissenschaft in Deutschland die beste Netzinfrastruktur zu bieten, einen großen Schritt näher. Im Jahr 2000 soll das bundesweite Gigabitnetz stehen.
3. Deutschland ist auf dem Weg in die Weltspitze bei der optischen Nachrichtentechnik. Bei der Vermittlungstechnik haben wir diese Position bereits.
Die bayerische Politik ist in vielen Technologiebereichen, insbesondere auch in der Informations- und Kommunikationstechnik, immer mit an der Spitze des Innovationsgeschehens gewesen.
Die bayerische Wissenschaft hat sich sowohl auf dem Gebiet des Hochleistungsrechnens wie auch in der Forschungsvernetzung besonders engagiert.
Mit Bayern-Online hat sich der Freistaat auch als erstes Bundesland die neuen Kommunikationsmedien in breiter Front an die Bevölkerung herangetragen. - Der Impuls wirkte mit auf die ganze Republik.
Mittlerweile haben wir Zuwächse bei der Online-Nutzung in der Bundesrepublik Deutschland, die sich sehen lassen können: In nur 18 Monaten ist die Zahl der Online-Nutzer um 140% auf 5,8 Millionen angewachsen.
In der Wissenschaft gehören Hochleistungsrechner zu den bestimmenden Elementen der Entwicklung der informationstechnischen Infrastruktur. Arbeitsgebiete zur Genomanalyse, zur Klimavorhersage, zur Strömungsmechanik, um nur einige zu nennen, sind auf Supercomputer angewiesen.
Auch in der Wirtschaft erobern sich Hochleistungsrechner mit ihren Möglichkeiten im Bereich der Simulation immer weitere Anwendungsfelder. Das gilt ganz besonders für der Bereiche der Luft- und Raumfahrtindustrie und des Automobilbaus.
Mit dieser Verbreiterung des Anwendungsbedarfs stellt sich automatisch die Frage nach der Öffnung des Zugangs zu solchen Hochleistungsrechnern, also nach Hochleistungsnetzen.
Gerade auf diesem Gebiet der Vernetzung haben wir in den vergangenen Jahren einen Quantensprung gemacht.
Als ich vor vier Jahren die Leitung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie übernahm, sah es schlecht aus mit der Forschungsvernetzung in Deutschland: Datenstaus gehörten im Wissenschaftsnetz zur Normalität. An einen Verbund von Hochleistungsrechnern war gar nicht zu denken.
Während in den USA, in England und anderen europäischen Ländern Breitbandnetze für die Wissenschaft aufgebaut wurden, drohte die Bundesrepublik Deutschland in Sachen Forschungsvernetzung abzurutschen.
Die Situation hat sich gründlich verändert. Mit einer Anschubfinanzierung von 82 Mio DM haben wir dem DFN-Verein den Weg für die Realisierung des Breitbandwissenschaftsnetzes freigemacht.
Ohne Übertreibung können wir heute feststellen, daß wir mit über 600 nutzenden Einrichtungen, mit rund 90 breitbandigen Anschlüssen und einer hervorragenden Flächenversorgung das bestausgebaute Wissenschaftsnetz in Europa haben.
Es wird sich im nächsten Jahr sogar völlig aus Nutzerentgelten finanzieren. Hier ist das politische Konzept der Anschubförderung mustergültig aufgegangen.
Das Wachstum des Verkehrsaufkommens im Wissenschaftsnetz ist allerdings weiterhin ungebremst. Zu Recht bereitet der DFN-Verein deshalb jetzt intensiv das Nachfolgesystem zum heutigen Breitbandwissenschaftsnetz vor.
Das Testnetz Erlangen-München-Berlin mit einer Kapazität von 2,5 Gigabit pro Sekunde in optischer Übertragungstechnik wird ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in die Gigabittechnik sein.
Mein Ziel ist es, daß im Frühjahr 2000 das bundesweite Gigabitnetz voll aufgebaut ist. Damit gehören wir zur Weltklasse.
Allerdings erreichen wir dies derzeit nur unter Verwendung weitgehend nicht-europäischer Gerätetechnik.
Damit sich auch dies mittelfristig ändert, fördert das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie ein großes Gemeinschaftsvorhaben mit der Bezeichnung "KomNet".
Im Rahmen von KomNet haben sich Herstellerfirmen, Netzbetreiber und Forschungseinrichtungen unter Federführung des Heinrich-Hertz-Instituts zusammengefunden.
Ziel des Projekts ist es, ein voll optisches Netz mit Vermittlungskapazitäten bis in den Terabitbereich hinein aufzubauen und zu erproben.
Wir sind in der optischen Vermittlungstechnik Weltspitze und das Heinrich-Hertz-Institut ist ein weltweit anerkanntes Kompetenzzentrum auf diesem Gebiet.
Damit wir an den Märkten der aufkommenden Informationsgesellschaft angemessen partizipieren, müssen wir das Internet im Bereich der Technik und der Anwendungen, und damit natürlich auch im Bereich der Standards, mitgestalten.
Wir müssen in Europa ein innovatives Klima schaffen, das dem der USA entspricht. Und wir müssen bei kritischen Technologien mithalten, um als Partner beim Aufbau der globalen technischen Strukturen der Wissensgesellschaft ernstgenommen zu werden.
Diesen Anspruch will ich gern noch ein Stück weiter konkretisieren:
Wenn es in den nächsten Monaten und Jahren darum geht, die Standards, die Technologien und die Anwendungen des Internets der nächsten Generation, also des sogenannten "Internet 2" festzulegen, dann will ich nicht, daß Deutschland - sozusagen im Vorzimmer der Internet-Weltmacht USA - auf die Ergebnisse wartet, sondern ich will, daß wir mehr als nur einen Fuß mit drin haben in diesem zukunftsbestimmenden Prozeß.
Dies habe ich bereits im Februar meinen Gesprächspartnern in Washington deutlich gemacht. Und es war deutlich, daß die Kompetenz des DFN-Vereins, die wachsende internationale Bedeutung unseres Telekom-Marktes und unser technologisches Wissen und Können vor allem in der optischen Nachrichtentechnik wichtige Argumente zur Durchsetzung dieses Anspruch sind.
Der DFN-Vorstand führt auf meinen Wunsch hin die Verhandlungen mit unseren amerikanischen Partnern weiter.
Die Zielsetzung ist einfach und klar: Wenn "Internet 2" startet, dann soll Deutschland dabei sein.
Mit dem Start des Gigabit-Testnetzes des DFN-Vereins "Erlangen-München-Berlin" und der Einweihung des neuen Hochleistungsrechners am heutigen Tage hier in München tun wir wichtige Schritte, die in die gleiche Richtung gehen.
Hier in München soll es zu Zeiten Kaiser Ludwigs einen Pferdedroschkenbesitzer gegeben haben, der die Kutsche des Königs in flottem Trab überholte, freundlich den Hut lüpfte und der verdutzten Majestät zurief: "Wer ko, der ko!"
Meine Damen und Herren: Das ist die richtige Einstellung! Und deshalb ist die Gigabitleitung hier in Bayern goldrichtig.