Rede von Prof. Dr. Eike Jessen
Eröffnung des Gigabit-Testbed Süd
Prof. Dr. Jessen
Vorsitzender des Vorstandes des DFN-Verein
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Bundesminister,
sehr geehrte Damen und Herren,
das Deutsche Forschungsnetz nimmt heute sein Gigabit-Testbed Süd in Betrieb. Das Gigabit-Testbed dient der Früherprobung künftiger Netztechnologien und künftiger Nutzungsformen von Netzen in der Wissenschaft. Da die Wissenschaft einen erheblichen zeitlichen Vorsprung in der Netznutzung gegenüber dem allgemeinen Internet hat, erlaubt das Gigabit-Testbed zugleich einen Blick in das allgemeine Internet von übermorgen.
Die Wissenschaft lebt von Informationen, und ihre Arbeitsergebnisse sind Informationen. Die Wissenschaft ist an einer raschen und erdumspannenden Beschaffung und Verteilung von Informationen dringend interessiert. Informationsflüsse werden heute über Netze geführt. Sie bieten den schnellen Zugang zu Personen und Informationsbeständen auf der ganzen Erde. Sie erlauben kooperierenden Computern die Verständigung untereinander mit der ihnen angemessenen Geschwindigkeit.
Für Wissenschaftsstandorte ist heute die Einbindung in das internationale Geflecht der Wissenschaftsnetze ebenso unabdingbar wie die Bereitstellung von Hochleistungsrechnern und Bibliotheken; ja, bis zu einem gewissen Grad befreien Netze sogar vom Zwang, Höchstleistungsrechner und Bibliotheken am Standort des Wissenschaftlers bereitzuhalten. Das Netz ist unentbehrlich und überall. Die Ströme über das Netz belegen die Leistungskraft der Wissenschaftsstandorte.
In Deutschland betreiben 400 Wissenschaftseinrichtungen, organisiert im DFN-Verein, ihr eigenes Hochleistungsnetz für die Wissenschaft, das sogenannte Breitband-Wissenschaftsnetz. Es ist vor gut zwei Jahren aufgebaut worden durch einen Vertrag mit der Deutschen Telekom und wird in weniger als weiteren zwei Jahren derart belastet sein, daß es nicht mehr ausgebaut werden kann. Dafür sorgt einerseits die herkömmliche Nutzung, die mit einem Faktor zwischen 2 und 5 je Jahr seit 1996 gewachsen ist, anderseits aber neue multimediale Kommunikationsformen zwischen Menschen und zwischen Menschen und Maschinen. Und schließlich kommt die Kommunikaton von Hochleistungsrechnern untereinander dazu, die gemeinsam an der Bearbeitung von Problemen arbeiten und sich über Zwischenresultate unterrichten.
Das alles zwingt uns, im Frühjahr 2000 ein neues Wissenschaftsnetz in Deutschland in Betrieb zu nehmen, das Gigabit-Wissenschaftsnetz. Es wird knapp die zehnfache Leistung des heutigen Breitband-Wissenschaftsnetzes haben. Die inzwischen absehbaren technischen Verbesserungen und die kommenden Marktstrukturen werden dafür sorgen, daß die Wissenschaft trotz des Leistungssprunges das Netz mittelfristig bezahlen kann, wenn der Bundesforschungsminister wie 1990 und 1996 durch eine Anschubfinanzierung den konzertierten Start mit einer kritischen Masse von Wissenschaftseinrichtungen sichert. Das kommende Gigabit-Wissenschaftsnetz wird einerseits überhaupt erst die technischen Grundlagen schaffen, auf der die neuen Kommunikationsformen aufbauen können, wie multimediale Realzeitkommunikation und Computerkooperation; andererseits wird es aber die herkömmlichen Nutzungsformen weit billiger bedienen. Das wird dazu führen, daß in weiten Bereichen der Transport von Datenträgern durch die elektronische Übermittlung, z.B. über Nacht, abgelöst wird.
Aufbau und Betrieb des Gigabit-Wissenschaftsnetzes enthalten deutliche technische und finanzielle Risiken. Das Gigabit-Testbed soll diese mindern und ausgewählten Benutzergruppen eine Vorform der kommenden Netztechnologie zum Erproben überlassen. Damit erhalten diese Nutzer nicht nur einen Vorsprung in der Entwicklung neuer Arbeitstechniken, sondern zugleich erhalten wir realistische Belastungen des Testbeds, an denen wir Technologie, Komponenten und Betriebsmanagement der kommenden Netzgeneration gründlich vorab erproben können. Die bereitgestellten Demonstrationen belegen das.
Das heute in den zweijährigen Betrieb gehende Gigabit-Testbed Süd des Deutschen Forschungsnetzes verdankt seine Mittel - in Höhe von etwa 20 Millionen DM - dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Forschung und Technologie, den beteiligten Wissenschaftseinrichtungen und der Bayerischen Staatsregierung. Die Projektleitung liegt beim Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Wir planen eine Erweiterung nach Berlin, mit einer Betriebsaufnahme im Herbst. Indem ich das Gigabit-Testbed seiner Bestimmung übergebe, danke ich allen, die sein Zustandekommen ermöglicht haben, und ebenso den vielen Wissenschaftlern, deren Arbeit uns hier in Bayern erlauben wird, einen wichtigen Blick in die Zukunft der Netze zu tun!